WAZ: Geständnisse eines Nobelpreisträgers
- Kommentar von Ulrich Reitz
Geschrieben am 13-08-2006 |
Essen (ots) - Mit 17 war Grass ein Verblendeter. Fasziniert von der Jugendbewegung, welche die Nazis eben auch waren, eingenommen von der Endsieg-Propagandamaschine, unfähig zu einem distanzierten, kritischen Urteil. Von Gräueltaten wollte er nichts wissen, ja er glaubte sie nicht bis zum Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess.
Bis dahin gibt es nichts Neues zu vermelden. Neu ist, dass Grass, beinahe 80 Jahre alt, in seiner Autobiographie einräumt, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Was ändert das am Grass-Bild? Weshalb hat er geschwiegen? Was hätte es geändert, hätte er geredet? Geschichte lässt sich nicht umschreiben, aber berechtigt ist doch die Frage, ob er den Literatur-Nobelpreis bekommen hätte, wäre dies bekannt gewesen. Das Nobelpreis-Komitee wertet nicht nur die literarische Leistung von Kandidaten, sondern auch ihre moralische Integrität.
Grass sieht seine Mitgliedschaft in dieser mörderischen Organisation, welche die Waffen-SS war, als menschlichen Makel, als persönliche Schande. Als nobel wird man Grass' Verhalten kaum werten können. Wie wäre seine moralisch grundierte Kritik an der Wiedervereinigung, die er unter Hinweis auf Auschwitz ablehnte, in der deutschen wie internationalen Öffentlichkeit aufgenommen worden, hätte man schon Anfang der neunziger Jahre um die Biographie von Grass gewusst? Wie seine Polemik gegen den Auftritt von Kohl und Reagan auf dem Soldatenfriedhof von Bitburg, auf dem Mitglieder der Waffen-SS begraben liegen, also, wie FAZ-Herausgeber Schirrmacher süffisant anmerkt, Menschen, die Grass Kameraden hätten sein können? Wie seine noch im jüngsten Interview in der FAZ vom Samstag, Angriffe auf die miefige, katholische Adenauer-Republik?
Bei Lichte besehen, war Grass ein Renegat. Einer, der unter Schmerzen widerrufen musste. Der nicht nur getäuscht wurde, sondern, jugendlich wie er war, sich auch voller Überzeugung täuschen ließ. Dieser Lebens-Bruch hat Grass nie verlassen. Ihn hat er, grandios, literarisch bewältigt. Aber was, wenn der typische Grasssche Moralismus, der selbstgerechte Ton, die Unerbittlichkeit, Gnadenlosigkeit in der Auseinandersetzung um gesellschaftspolitische Fragen, die typisch deutschen Dinge zumal, als stete Bewältigung der eigenen Verfehlung aus Jugendjahren gelesen werden müsste?
Womöglich hat Grass ganz einfach unter der, angesichts der Zeitumstände, Ungeheuerlichkeit seiner Hundejahre gelitten. Und sich ein weiteres Mal verführen lassen, diesmal zur Klitterung der eigenen Geschichte.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Telefon: (0201) 804-0 Email: zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
25373
weitere Artikel:
- Märkische Oderzeitung: Israels Blamage und die Chancen der UNO-Resolution Die UN-Resolution 1559 überdeckt nun ein wenig Israels Blamage. Frankfurt/Oder (ots) - Geklärt ist aber noch nicht, wie es der multinationalen Streitkraft gelingen soll, das südlibanesische Hornissen-Nest zu befrieden. Schafft sie jedoch diesen Schritt, kann das israelisch-palästinensische Zusammenleben vorankommen. Denn erst, wenn Israel sicher sein kann, dass ein künftiges Palästina nicht wie Gaza und der Südlibanon als Abschussrampen für Raketen dienen, wird es das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat akzeptieren. Doch diese Sicherheit braucht Israel. +++ Originaltext: Märkische mehr...
- Rheinische Post: Die Lebenslüge des Günter Grass Düsseldorf (ots) - von Sven Gösmann Es gab in dieser Republik keinen "Aufstand der Anständigen", bei dem Günter Grass gefehlt hätte. Wortgewaltig schwang er die Moralkeule gegen seine politischen Gegner, und die begannen für ihn gleich rechts von der SPD. Und jetzt das. Günter Grass musste eine gewaltige Lebenslüge einräumen: Über Jahrzehnte hat er Teile seiner Biographie vom Waffen-SS-Mann zum Flakhelferlein umgeschminkt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Grass ist als 17-Jähriger in das Räderwerk der Nazi-Diktatur geraten, zig mehr...
- Rheinische Post: Denkzettel in NRW Düsseldorf (ots) - Von Detlev Hüwel Seit der Bundestagswahl bemängelt Jürgen Rüttgers immer wieder eine Schieflage in der CDU-Bundespartei: Er vermisst die Balance zwischen dem wirtschaftlich Vernünftigen und dem sozial Erforderlichen. Mit seiner Kritik hat er offenbar ins Schwarze getroffen. Seinem Befund stimmen 84 Prozent der Menschen an Rhein und Ruhr zu, die zusehen müssen, wie große Unternehmen Rekordgewinne einstreichen und zugleich ihre Belegschaft zum Teil drastisch abbauen. Hierauf hat die Partei noch keine überzeugende Antwort. mehr...
- Rheinische Post: Libanons Hoffnung Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Von heute an sollen in Nahost die Waffen schweigen. Diese Hoffnung ist noch längst kein Faktum. Die UN-Resolution war eine schwierige Geburt. Israel und die Schiiten-Miliz Hisbollah haben Zustimmung signalisiert. Dies ist Taktik und betont den eigenen Friedenswillen. Und dessen Bekundung ist für die öffentliche Meinung weltweit wichtig. Die Resolution 1701 steht am Anfang einer Entwicklung. Bis zu ihrer Umsetzung braucht es Zeit auf einem langen Weg. Einer ihrer möglichen Bruchstellen ist die mehr...
- LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Nahost-Konflikt Leipzig (ots) - Die UN-Resolution 1701 war eine schwere Geburt. Erst einen Monat nach Beginn der Kriegshandlungen im Südlibanon fand der Weltsicherheitsrat einen gemeinsamen Nenner. Doch selbst wenn das Ringen noch länger gedauert hätte: Es gibt keine Alternative zu einer UN-geführten Friedenslösung. Das große erleichterte Aufatmen will sich dennoch nicht einstellen, auch wenn das israelische und das libanesische Kabinett der Resolution und damit einer Waffenruhe ab heute morgen zugestimmt haben. Denn die Realität bewegt sich derzeit mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|