Berliner Morgenpost: Diese Regierung braucht keine Opposition - Leitartikel
Geschrieben am 25-02-2010 |
Berlin (ots) - Es kann kaum noch schlimmer werden: Öffentlich, inzwischen sogar über Zeitungsbeiträge und Interviews, streiten sich die Bundeskanzlerin und ihr Vizekanzler über die richtige Politik. An Deutlichkeit lässt der Streit nichts zu wünschen übrig, die Kanzlerin watscht mit klaren Worten zum Sozialstaat ihren Stellvertreter geradezu ab. Man wird das Gefühl nicht los, dass Angela Merkel über Guido Westerwelle nur noch den Kopf schüttelt, dass sie diesen Mann, der doch am Ziel seiner politischen und damit beruflichen Wünsche angekommen ist, einfach nicht mehr versteht. Als Außenminister und Vizekanzler dieser Republik, als zweitwichtigstes Mitglied in seiner Wunschkoalition macht Westerwelle eine überaus unglückliche Figur. Und wirkt nicht mehr authentisch, sondern fast schon verlassen. Von Merkel, den Unionskollegen, den Wählern. Lieber holprig regiert, als fröhlich opponiert, sagt der Politpragmatiker - und dieses Motto gilt natürlich auch für die schwarz-gelbe Koalition. Doch sie hat einen kompletten Fehlstart hingelegt und noch immer nicht Tritt fasst. Erfahrene Politiker mögen sich daher mit solchen Worten trösten, das Wahlvolk aber erträgt diese Stolperei nur für kurze Zeit. Und noch weniger verträgt es diese Art von Streit, laut und öffentlich ausgetragen, von einer Seite - sei es CDU, FDP oder CSU - immer wieder neu befeuert. Das Tragische in diesen Tagen ist, dass ein Ende des Trauerspiels nicht abzusehen ist. Schon zum zweiten Mal mussten sich Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer am Mittwochabend zu einem Krisengipfel zusammensetzen, um sich wieder auf einen Kurs zu verständigen. Zum zweiten Mal innerhalb von rund 120 Tagen Regierungszeit. Westerwelle sprach anschließend doch tatsächlich von einem "konstruktiven, sachlichen und ruhigen" Gespräch. Manchmal wäre es klüger zu schweigen. Immerhin: Im Bundestag trat Westerwelle gestern dann persönlich auf, mischte sich in die von ihm angestoßene Hartz-IV-Debatte ein. Bis zu Beginn der Sitzung war unklar, ob der FDP-Chef überhaupt reden würde. Nun, den Mumm hatte er - und die Buhrufe von der Opposition gehören zu einer solch emotional geführten Hartz-IV-Debatte. Einen Schritt näher sind sich die Koalitionäre aber auch gestern nicht gekommen. Westerwelle verteidigte seine Position zum Sozialstaat erneut - Merkels Rüffel hin oder her. Und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) appellierte an die eigene Koalition, große Schritte, die nun getan werden müssen, "nicht mit Streitigkeiten zu verstolpern". Wenn man eine solche Regierung hat, braucht es eigentlich keine Opposition mehr. Am 21. März, also in weniger als einem Monat, wollen sich Merkel, Westerwelle und Seehofer wieder zusammensetzen. Und man ahnt, dass das dann auch dringend nötig sein wird. Denn weil sich die drei Parteien in den inhaltlichen Fragen so uneinig sind, weil sie den Koalitionsvertrag so oberflächlich ausgearbeitet haben, weil die FDP so schlecht vorbereitet in die Regierung gegangen ist, wird es genug zu besprechen geben. Was für eine Koalition.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
253788
weitere Artikel:
- Lausitzer Rundschau: Merkel und die Verdränger Schwarz-gelber Dauerkrach beschädigt die Kanzlerin Cottbus (ots) - Angela Merkel hat ihren Vizekanzler in beispielloser Weise zurechtgewiesen. Unter dem Strich hat sie ihm gesagt, dass sein Beitrag zu Hartz IV nur Stimmungsmache sei. Merkel wird langsam bewusst, was für Leute sie da in ihr Kabinett geholt hat. Welche politischen Rabauken im Vergleich zur Vorgängerregierung. Den eitlen Horst Seehofer durchaus eingeschlossen, der nicht minder zerstörerisch wirkt. Vor eineinhalb Jahren gelang es einer anderen Merkel-Regierung, die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit Menschengedenken mehr...
- Lausitzer Rundschau: Zwiespältig Bischöfe ziehen Konsequenzen aus Missbrauchsskandal Cottbus (ots) - Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, lässt keinen Zweifel: Die katholische Kirche in Deutschland bedauert die Missbrauchsfälle durch ihre Geistlichen und Ordensleute, schämt sich dafür und will aktiv an der Aufarbeitung mitwirken. Das wurde auf der Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe deutlich. Und es gibt keinen Grund, Robert Zollitsch an dieser Stelle nicht zu glauben. Zumal auf das Bedauern Taten folgten: Mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann setzten mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Verkehr / EU / Urteile Osnabrück (ots) - Sicherheit hat Vorfahrt Nur mal angenommen, dass jeder, der ein Gesetz zu seinen Gunsten umgehen kann, es auch tut - wohin würde das führen? Bis hierher und nicht weiter, hat das Bundesverwaltungsgericht nun entschieden und diejenigen, die eine Gesetzeslücke dreist ausgenutzt haben, in die Schranken gewiesen. Eine gute Entscheidung, die zeigt, dass Sicherheit auf der Straße vorgeht. Und zwar grundsätzlich. Nach dem Leipziger Urteil dürfen die Behörden nun prüfen, ob Inhaber eines Führerscheins, den sie im Ausland mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Tarifverhandlungen / öffentlicher Dienst / Schlichtung Osnabrück (ots) - Auf gutem Weg Eltern, Busfahrer, Patienten und viele andere mehr können aufatmen. Denn mit dem Schlichterspruch für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes stehen die Signale auf Einigung. Nervende und kostenträchtige Streiks etwa in Kitas oder im Nahverkehr sind aller Voraussicht nach abgewendet. Schon der einvernehmliche Beschluss über den Schlichterspruch zeigt: Die Tarifparteien befinden sich auf gutem Weg, einen Abschluss unter Dach und Fach zu bringen. Beide Seiten können mit dem Vorschlag zufrieden mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Koalition Osnabrück (ots) - Noch keine Harmonie Auch nach dem jüngsten Dreiergipfel der Parteichefs im Kanzleramt lässt die schwarz-gelbe Koalition keineswegs den Gedanken an ungestörte Harmonie aufkommen. Vor allem Horst Seehofer und Guido Westerwelle setzen ihren Drang zur Profilierung munter fort - zum Schaden des Bündnisses. Doch es geht nicht allein um das Temperament der beiden Spitzenpolitiker. In der Sozialpolitik und noch mehr in der Gesundheitspolitik liegen gerade die kleineren Koalitionspartner weit auseinander. Die Einführung mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|