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Westfalenpost: Kirche in der Krise

Geschrieben am 21-03-2010

Hagen (ots) - Deutschland wartet weiter auf ein Papst-Wort
Von Andreas Thiemann
Der Hirtenbrief des Papstes an die katholische Kirche in Irland ist
in einer bisher nicht gekannten Schärfe formuliert worden. Von
Schande, Verrat, Unehre, Enttäuschung, Vertrauensbruch und schweren
Fehlern ist da die Rede. Keine Frage, Benedikt XVI. liest seinen
irischen Brüdern die Leviten, und er tut dies ganz offensichtlich aus
tiefster Besorgnis über den Zustand der irischen Kirche in ihrer
Gesamthierarchie.
Tatsächlich haben die Missbrauchsfälle in Irland eine größere
Dimension als in Deutschland. Bislang jedenfalls noch. Vielleicht war
es daher richtig, dass der Papst die irischen Probleme nicht um einen
Hinweis Richtung Deutschland erweiterte.
Doch auch beim sonntäglichen Angelusgebet nutzte Benedikt gestern
nicht die Möglichkeit, die Situation in seiner eigenen Heimat
anzusprechen. Dieses Schweigen aber schadet der katholischen Kirche
in Deutschland von Tag zu Tag mehr. Die Missbrauchsopfer haben ein
moralisches Recht darauf, dass der Papst sich ihnen direkt zuwendet.
Insofern ist es eben nicht ausreichend, wenn führende Theologen in
unserem Land darauf verweisen, dass der Inhalt des irischen
Hirtenbriefs sehr wohl auch für Deutschland zu interpretieren sei.
Natürlich gilt hier wie dort die gleiche Einschätzung zu den gleichen
Sachverhalten, dennoch müssen sie gesondert formuliert werden.
Und noch eines fällt angesichts der päpstlichen Bestürzung auf:
Benedikt benennt klar die Schuld anderer, während er durchaus
mögliche Steuerungsmechanismen und Entscheidungsvorgaben seitens des
Vatikans nicht anspricht.
Die katholische Kirche steckt in einer ihrer größten Krisen der
Neuzeit. Das weiß der Papst, und darum auch sein dramatischer
Hirtenbrief. Mit Worten allein aber wird diese Krise nicht überwunden
werden können. Im Vatikan selbst sollten Veränderungen greifen, die
gewichtiger ausfallen müssen als ein entschuldigendes Mitgefühl.
Das intensive Beschreiben von Gefühlszuständen ist ein ungenügendes
Krisenmanagement. Erst wenn auch im Vatikan ernsthaft analysiert
wird, kann verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden.

Originaltext: Westfalenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/58966
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Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160


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