WAZ: Der schwarze Freitag und die Folgen - Der ratlose Herr Guttenberg - Leitartikel von Dirk Hautkapp
Geschrieben am 05-04-2010 |
Essen (ots) - Über die Motive des Verteidigungsministers wundert man sich nicht zum ersten Mal. Nach dem düstersten Karfreitag in der Geschichte der Bundeswehr, drei tote deutsche Soldaten, sechs von deutschen Soldaten irrtümlich getötete afghanische Soldaten, sprach Karl-Theodor zu Guttenberg erstmals von "Krieg" in Afghanistan. Nicht im juristischen Sinne freilich, nur "umgangssprachlich". Was das soll? Guttenberg kaschiert seine Ratlosigkeit, indem er sich sprachsymbolisch an der "Heimatfront" anbiedert. Hier war man es gewohnt, wirklichkeitsverfälschend mit selbstbetrügerischer Rhetorik ("Stabilisierungseinsatz") eingelullt zu werden. Dabei wusste die Öffentlichkeit längst: Deutsche Soldaten töten und werden getötet. Nur zu sagen, was in Afghanistan ist, reicht darum längst nicht aus. Die Bundeswehr steht vor einem Strategiewechsel. In den Worten Guttenbergs: "Weg von offensiven, aktiven militärischen Eingriffen hin zu einer Ausbildungs- und Schutzkomponente, die in der Fläche Präsenz zeigt." Die Taliban haben diesen Plan mitten im Verantwortungsbereich der Deutschen kurz und klein gehauen und mit geringen militärischen Anstrengungen große politische Effekte erzielt. Ihre auf Zermürbung der internationalen Schutztruppen angelegten Nadelstiche lassen zudem erahnen, auf welch hohlem Grund das neue Afghanistan-Mandat der Bundeswehr steht. Wenn deutsche Soldaten bereits heute auf einer Routinepatrouille einem Hinterhalt nicht gewachsen sind, um wie viel höher muss erst das Risiko für Leib und Leben sein, wenn bald noch mehr deutsche Soldaten und Bundespolizisten ihre afghanischen Kollegen außerhalb der festungsähnlichen Lager ausbilden? Für die Taliban ist dieses Szenario ein Geschenk. Sie können die weder materiell noch mental hinreichend ausgerüstete Bundeswehr noch tiefer in einen verlustreichen Abnutzungskrieg ziehen. Sich darauf einzustellen und öffentlich zu klären, mit welch militärischer Wucht deutsche Soldaten auf im Handwerk des Tötens überaus geübte Gegner reagieren sollen, ist politisch nicht leicht zu vermitteln. Aber ehrlicher, als mit pikiertem Unterton festzustellen, dass der Taliban gnadenlos und bauernschlau vorgeht. Ja, was denn sonst? Karfreitag 2010 zwingt die den Einsatz nur noch halbherzig tragenden Parteien dazu, der Öffentlichkeit endlich zu erklären, wie in Afghanistan bis zu einem schon bald einsetzenden Truppenabzug eine halbwegs stabile innere Ordnung entstehen soll. Wenn zeitgleich der Widerstand immer massiver wird, den der Westen mit militärischen Mitteln nicht brechen kann.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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