WAZ: Das Dilemma existiert nicht
- Kommentar von Angela Gareis
Geschrieben am 17-08-2006 |
Essen (ots) - Noch einige Sätze über Grass, aber nur wenige. Günter Grass steht momentan im Weg. Er verstellt den Blick auf das Wesentliche. Die halbe Republik diskutiert mehr über Grass, über sein langes Schweigen und über Verantwortung und Moral in der Vergangenheit als über Verantwortung und Moral in der Gegenwart und Zukunft. Wie verhält sich Deutschland heute zu Israel? Nahost ist Gegenwart und Zukunft. Da wird wohl gehandelt werden müssen, was unwägbare Risiken birgt, weshalb man leichter und geschichtsklug über Grass reden kann.
Das vermeintliche Dilemma lautet: Deutsche dürfen aufgrund ihrer historischen Schuld nicht tun, was sie aufgrund ihrer historischen Schuld tun müssen. Quer durch die Parteien positionieren sich Politiker dem Dilemma gemäß, und manche bemühen die durchsichtigen Argumente, die Bundeswehr schaffe das alles nicht mehr, oder sie werde in der Region als nicht neutral angesehen.
Das Dilemma existiert nicht. Aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus haben Deutsche eine stabile Demokratie aufgebaut, der viele Länder vertrauen, unter ihnen Israel, das sich deutsche Unterstützung wünscht. Was ist diese Demokratie wert, wenn sie sich selbst misstraut? Aus der Verteidigungsarmee der Nachkriegszeit ist eine Bundeswehr geworden, deren Soldaten weltweit für Frieden eintreten und sich einen untadeligen Ruf aus Besonnenheit und Sensibilität erworben haben, weltenweit entfernt von Folter, Vergewaltigung und Mord im Auslandseinsatz. Was ist dieser Ruf wert, wenn Deutschland seinen Soldaten misstraut?
Man muss sich überlegen, wie später einmal jüngere Menschen in Israel verstehen sollen, dass viele Länder geholfen haben, den Konflikt zu beenden, Deutschland aber nicht. Dass Deutschland jeder anderen bedrohten Demokratie geholfen hätte, Israel aber nicht. Denn jenseits aller Bemühungen um Neutralität, jenseits aller Versuche, Gut und Böse anhand der Anzahl getöteter Menschen immer neu justieren zu wollen: Es geht um Hilfe für Israel. Für Menschen, die das Unvorstellbare überlebt haben und umgeben von feindlichen Grenzen jeden Tag wieder um ihr Überleben kämpfen müssen. Diese Hilfe sichert auch das Leben der Menschen auf den anderen Seiten der Grenzen, die diesen Krieg nicht wollen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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