Westdeutsche Zeitung: Steinbrück = von Christoph Lumme
Geschrieben am 18-08-2006 |
Düsseldorf (ots) - Man muss den Deutschen nur ans Auto oder an den Urlaub wollen, und schon hat man eine Debatte am Hals, gegen die jedes Stammtischgeschwätz ein intellektueller Diskurs ist. Nun hat Peer Steinbrück also Haue gekriegt. Das ist gut für den Finanzminister, denn ein schlechtes Image ist allemal besser als gar keins. Besser Wohlstandspiranha als Fischkopf.
Was in der deutschen Erregungskultur untergeht: Peer Steinbrück hat mit seiner Aussage einen zentralen Widerspruch im real existierenden Kapitalismus berührt. Einerseits wird dem Bundesbürger seit Jahren von Ökonomen eingetrichtert, sein Konsumstreik sei für die Wirtschaftsmisere verantwortlich. Andererseits heißt es, er spare in Anbetracht kollabierender Sozialsysteme nicht genug fürs eigene Alter. Fragt sich: Welchen Sinn hat die oft als altmodisch verspottete Sekundärtugend der Sparsamkeit in unserer Überflussgesellschaft? Oder, um beim Beispiel zu bleiben: Macht ein Leben ohne Dominikanische Republik Sinn? Global betrachtet ist die Sache klar. Würden alle Erdenbürger so verschwenderisch mit den Ressourcen umgehen wie die Menschen der Industrienationen, wäre unser Planet in wenigen Jahrzehnten am Ende.
Auch angesichts des kollabierenden Generationenvertrags ist eine neue Kultur der Bescheidenheit keine postmaterialistische Spinnerei, sondern Notwendigkeit, da hat Steinbrück Recht. Allerdings müsste er die Bundesbürger nicht darüber belehren. Ihr zurückhaltendes Konsumverhalten zeigt längst, dass sie sich der neuen Realität sensibel angepasst haben. Die Zukunft gehört einem maßvollen Kapitalismus, in dem sich Menschen nicht mehr über materielle Exzesse definieren. Und kein Ökonom sollte behaupten, diese Kultur des Verzichts sei die Ursache der deutschen Konjunkturmisere.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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