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'Capital-Interview' mit Jürgen Stark: EZB-Chefvolkswirt warnt vor Stagflation in Europa / Stark stellt Ende der Niedrigzinsen in den Raum / Ausweitung der Staatsschuldenkrise erwartet

Geschrieben am 16-04-2010

Hamburg (ots) - Forderung nach neuem Gremium zur Kontrolle der
Euro-Staaten

Frankfurt, 16. April 2010 - Die Europäische Zentralbank (EZB)
könnte die Leitzinsen früher erhöhen als bisher erwartet. "Es ist
gefährlich, zu lange an niedrigen Zinsen festzuhalten", sagte
EZB-Chefvolkwirt Jürgen Stark im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin
'Capital' (Heft 5/2010, EVT 22. April). "Wir müssen und wir werden
rechtzeitig handeln." Der starke Aufschwung in den Schwellenländern
könne auch in Deutschland die Preise nach oben treiben - und zwar
bevor die Wirtschaft auf einen stabilen Wachstumspfad zurückgekehrt
sei. "Das könnte dann Stagflation bedeuten", sagte Stark.

Stark warnte die Regierungen, dass sich kein Staat auf günstige
Finanzierungsbedingungen für seine Schulden verlassen könne. "Um es
klar zu sagen: Ich fürchte, dass viele Regierungen Probleme bei der
Finanzierung ihrer Schulden bekommen, wenn die Zinsen über alle
Laufzeiten hinweg steigen." Jeder Prozentpunkt mehr werde die
Zinslast im Euro-Raum um 25 bis 30 Milliarden Euro erhöhen. Alle
Länder seien gut beraten, mit der Haushaltskonsolidierung zu
beginnen.

Als Konsequenz aus der Krise forderte Stark eine verschärfte
Überwachung der Finanzpolitik in den Euro-Mitgliedstaaten. "Wir
müssen Disziplin erzwingen", sagte er gegenüber 'Capital' und
forderte dafür ein neues Gremium: "Wir müssen den Kontrollprozess
entpolitisieren. Gut wäre, wenn eine unabhängige Expertengruppe die
Finanzpolitik der einzelnen Staaten kontrolliert und eine
verbindliche Bewertung an die EU-Kommission und die Finanzminister
gibt", sagte Stark.

Stark sprach sich gegen neue Solidaritätsmechanismen wie einen
Europäischen Währungsfonds aus. "Ich sehe mit Sorge, dass sowohl auf
nationaler wie auf internationaler Ebene finanzielle Sicherheitsnetze
aufgespannt werden sollen. Dieser Ansatz geht in die völlig falsche
Richtung", sagte er. Solche Netze führten dazu, dass sich das
Verhalten der Marktteilnehmer nicht ändert. Denn sie wüssten ja, dass
sie im Notfall aufgefangen werden. Stark lehnte auch die in
Deutschland geplante Bankenabgabe ab. "So sehr es politisch attraktiv
sein mag, die Banken zu bestrafen: Ich sehe ein Problem darin, an
schärferen Eigenkapitalregeln zu arbeiten und gleichzeitig eine
Bankensteuer einzuführen", sagte er. "Damit laufen wir Gefahr, das
Bankensystem zu überfordern. Am Ende bestrafen wir nicht die Banken,
sondern die Unternehmen und die Kunden."

Originaltext: Capital, G+J Wirtschaftsmedien
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/8185
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_8185.rss2

Pressekontakt:
Claudio de Luca, Redaktion G+J Wirtschaftsmedien,
Tel. 030/220 74-202, E-Mail: deluca.claudio@guj.de


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