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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Start der rot-grün-roten Sondierungsgespräche Unkalkulierbares Risiko PETER JANSEN, DÜSSELDORF

Geschrieben am 19-05-2010

Bielefeld (ots) - In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob
NRW als erstes großes Bundesland im Westen von einer Koalition aus
SPD, Grünen und der neuen Linkspartei regiert werden wird. Die roten
und grünen Wunschpartner treffen heute zu einer ersten Fühlungnahme
mit der Linken zusammen, die sie zur Bildung einer handlungsfähigen
Regierung brauchen. Von Koalitionsverhandlungen sind die drei
Parteien noch weit entfernt. Zunächst soll getestet werden, ob
Demokratieverständnis und politische Vorstellungen so weit
übereinanderpassen, dass eine stabile Zusammenarbeit
erfolgversprechend erscheint. Dabei liegen die eigentlichen Hürden
nicht bei den inhaltlichen Unterschieden zwischen den drei Parteien.
Abschaffung der Studiengebühren, Schulstrukturreform mit längerem
gemeinsamen Lernen aller Kinder, Tariftreuegesetz und die
Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst sind wesentliche Vorhaben, wo
Kompromisse vorstellbar sind, den guten Willen aller drei Beteiligten
vorausgesetzt. Das Haupthindernis, das einer Koalition entgegensteht,
ist die innere Verfassung der Linkspartei, in der die
unterschiedlichsten Strömungen und Flügel - von strammen
Gewerkschaften über frustrierte ehemalige Sozialdemokraten bis zu den
Nachkommen unterschiedlichster kommunistischer Gruppierungen - um die
Vorherrschaft ringen. Eine verlässliche breite Mehrheit ist nicht zu
erkennen. Niemand weiß, welche Strömung den Ton angibt, ob die
Reformwilligen und Kompromissfähigen oder die Anhänger einer
Fundamentalopposition. Die Vorstände von Partei und Fraktion strahlen
wenig Autorität aus, alle wichtigen Entscheidungen sollen auf
Parteitagen und in Mitgliederbefragungen getroffen werden. Der im
Wahlkampf von SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft ständig
wiederholte Vorwurf, die Linken seien weder regierungs- noch
koalitionsfähig, war ja nicht falsch. Unter diesen Umständen ist ein
Bündnis mit der Linkspartei ein unkalkulierbares und damit
unverantwortbares Risiko. Ein Land mit 18 Millionen Einwohnern, mit
einem Haushalt von weit über 50 Milliarden Euro und einem mehr als
doppelt so hohen Schuldenberg kann nicht von einer Partei regiert
werden, in der nie klar ist, wo gerade die Mehrheiten sind. Die
NRW-Linken sind schlicht noch nicht reif fürs Regieren. Für die
Politik in NRW muss das nicht Stillstand bedeuten. SPD, Grüne und
Linke können mit ihrer Mehrheit einzelne Vorhaben durchsetzen. Wenn
sich diese Zusammenarbeit bewährt, kann man die Frage einer Koalition
neu durchdenken. Die Alternativen wären eine Große Koalition oder,
auch wenn niemand laut darüber reden mag, der verzweifelte Versuch,
durch Neuwahlen klare Verhältnisse zu schaffen.

Originaltext: Neue Westfälische (Bielefeld)
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
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Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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