BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum Berliner Gebets-Urteil
Geschrieben am 27-05-2010 |
Berlin (ots) - Nach dem Urteil des Berliner
Oberverwaltungsgerichts zum muslimischen Gebet in der Schule bleibt
ein ungutes Gefühl, bleiben Fragen offen. Warum darf eine Schule
einem Schüler das islamische Gebet in einem stillen Winkel während
der Pause verbieten, während unvorstellbar ist, dass einem
christlichen Schüler das Tischgebet in der voll besetzten
Schulkantine untersagt würde? Wo ist da die Gleichbehandlung der
Religionen, wo die Religionsfreiheit, zu der das Beten doch gehört?
Einerseits. Andererseits ist zu bedenken, dass auch nicht jede
christliche Gebetsform in staatlichen Schulen geduldet wird.
Außerhalb des Religionsunterrichts kann weder das katholische Beten
im Knien noch das evangelikale Lobpreisen mit erhobenen Händen seinen
Platz haben. Daher sollten Muslime, die sich über dieses Urteil
empören, in Ruhe überlegen, ob es in ihrer Religion nicht auch
Gebetsformen gibt, die sich ins Miteinander einer multireligiösen
Gesellschaft einfügen lassen. Wenn der viel beschworene Euro-Islam
auf pluralistischer Grundlage keine Floskel sein soll, wird er Formen
entwickeln müssen, die auf andere weder wie ein Auftrumpfen noch wie
ein sektiererischer Rückzug in Parallelkulturen wirken. Wo aber - und
da beginnt wieder das ungute Gefühl - sollten solche Formen
ausprobiert werden können, wenn nicht an Schulen? Dem jedoch steht
das Prinzip entgegen, das mit dem gestrigen Urteil ins Recht gesetzt
wurde, nämlich das Prinzip des Berliner Senats, in der
multireligiösen Hauptstadt die Schulen in neutrale, religionsferne
Zonen zu verwandeln. Darauf hatte der Senat ja auch bei der Ablehnung
der Pro-Reli-Initiative gesetzt: Der Religionsunterricht sollte kein
Wahlpflichtfach werden, stattdessen hielt man strikt am neutralen,
für alle verpflichtenden Ethikunterricht in den Klassen sieben bis
zehn fest - und wurde darin beim Volksentscheid von den Berlinern
bestärkt. Nach außen hin hat das ja auch etwas für sich: Mancher
Konflikt kann an religiös neutralisierten Schulen vermieden werden,
und Lehrern ist nicht zuzumuten, täglich fundamentalistische
Verfeindungen zu ertragen. Doch immerhin denkbar wäre doch, dass sich
an Schulen ein friedlicher Umgang mit unterschiedlichen religiösen
Praktiken einüben ließe. Die Bildungspolitik zieht sich aus der
Verantwortung, wenn sie die Schulen für neutral erklärt und damit
faktisch die Schwierigkeiten der Multireligiosität an andere (aber an
wen eigentlich?) delegiert. Berlin hat es mit der Multireligiosität
schwer, kein Zweifel, Berlin muss seine Schulen befrieden und dabei
auch Prioritäten setzen, zu denen die Religionsfreiheit nicht immer
gehören kann. Doch der Berliner Weg, die ungelösten Religionsprobleme
außen vor zu halten, ist kein Königsweg - weder für Christen noch für
Muslime, noch für Atheisten.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
CVD Matthias Heine
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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