Deutsches Institut für Menschenrechte zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Gäfgen
Geschrieben am 01-06-2010 |
Berlin (ots) - Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen
Instituts für Menschenrechte, erklärt zum heute veröffentlichten
Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte Gäfgen gegen Deutschland:
"Das heutige Urteil der Großen Kammer des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte ist aus menschenrechtlicher Sicht zu
begrüßen. Das absolute Folterverbot ist eine grundlegende
Errungenschaft des Rechtsstaates. Das Urteil macht unmissverständlich
deutlich, dass Staaten ernsthafte Konsequenzen aus Verstößen gegen
das Folter- und Misshandlungsverbot ziehen müssen.
Die strafrechtliche Ahndung solcher Verstöße muss klarstellen,
dass Folter auch in Ausnahmefällen nicht erlaubt ist oder geduldet
wird. Die Große Kammer hat zu Recht die Verwarnung mit Strafvorbehalt
der beteiligten Polizeibeamten (als leichteste Sanktionsform des
deutschen Strafrechts) als unangemessene Reaktion beurteilt. Auch die
spätere Ernennung des damaligen stellvertretenden Frankfurter
Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner zum Chef einer Polizeibehörde
untergräbt das Folterverbot. Der Staat darf keinen Zweifel daran
lassen, dass gerade Polizeibeamte in leitender Position für die
absolute Geltung des Folterverbotes einstehen."
Wie bereits eine siebenköpfige Kammer des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte im Juni 2008, hat auch die Große
Kammer aus siebzehn Richtern und Richterinnen heute festgestellt,
dass die Folterandrohung gegen Gäfgen das Verbot unmenschlicher
Behandlung verletzt und damit gegen Art. 3 der Europäischen
Menschenrechtskonvention verstößt. Allerdings hatte die Kammer diese
Konventionsverletzung als durch das Strafverfahren und die Versetzung
der handelnden Polizeibeamten ausgeglichen angesehen. Sie war deshalb
zu dem Schluss gekommen, dass Gäfgen nicht mehr als Opfer einer
Konventionsverletzung anzusehen sei. Hingegen stellt die Große Kammer
nun fest, dass die bloße Verwarnung mit Strafvorbehalt der
Polizeibeamten keine angemessene Reaktion auf eine Verletzung des
Folter- und Misshandlungsverbots sei. Die anschließende Ernennung
Daschners zum Chef einer Polizeibehörde - wenn auch ohne
Ermittlungsbefugnis - werfe ebenfalls ernste Zweifel daran auf, dass
die staatlichen Behörden die Schwere eines Verstoßes gegen das Verbot
angemessen berücksichtigt haben.
Originaltext: Deutsches Institut für Menschenrechte
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Pressekontakt:
Bettina Hildebrand
Telefon (030) 259359-14 und Mobil (0160) 966 500 83
Email hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de
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