Neue Westfälische (Bielefeld): Prozess um Verhör Gäfgens Angemessene Nüchternheit KNUT PRIES, BRÜSSEL
Geschrieben am 01-06-2010 |
Bielefeld (ots) - Es ist eines der traurigsten Bilder: Das Gesicht
des lachenden Jungen mit den großen Vorderzähnen wird keinem je aus
dem Gemüt fallen, der die entsetzliche und verstörende Geschichte
Jakob von Metzlers und seines Mörders Gäfgen verfolgt hat. Dass der
Täter, der aus Habgier ein Kinderleben auslöschte, vor Gericht
seelische Beschädigung durch jene geltend macht, die das Verbrechen
zu verhindern suchten, ist eine quälende Verlängerung der Untat. Der
Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte hat gut daran getan, die
Beschwerde des Mörders mit großer Nüchternheit abzumessen. Der
Straßburger Spruch wahrt die rechte Proportion: Er bagatellisiert
nicht die Verstöße des unglücklichen Polizeichefs Daschner und seiner
Untergebenen gegen das Folterverbot. Er tadelt die unsaubere und laxe
Behandlung dieser Verstöße durch die deutsche Justiz. Aber er trennt
das zu Recht von der Frage der Schuld Gäfgens. So hat das Gericht
zugleich einen ermordeten Jungen gegen eine weitere posthume
Schändung in Schutz genommen und das Folterverbot gegen Relativierung
befestigt. Mehr war nicht zu leisten.
Originaltext: Neue Westfälische (Bielefeld)
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