Westdeutsche Zeitung: Christian Wulff = von Lothar Leuschen
Geschrieben am 04-06-2010 |
Düsseldorf (ots) - Der große Wurf ist Christian Wulff sicher
nicht. Und damit auch nicht der Befreiungsschlag, den sich so viele
von der Wahl des Präsidentschaftskandidaten gewünscht haben werden.
Dazu ist Wulff einerseits noch zu farblos und dessen Wahl
andererseits von zuviel Kalkül geprägt. Angela Merkel ging es
offenbar nicht um ein Signal ins Volk. Es ging ihr darum, für die
schwarz-gelbe Regierungskoalition einen konsensfähigen Kandidaten zu
finden, konservativ genug für die CSU, wirtschaftsliberal genug für
die FDP. Diese Kriterien erfüllt Wulff. Mag sein, dass die Kanzlerin
mit ihrem Votum für den niedersächsischen Ministerpräsidenten auch
ureigene Interessen vertreten hat. Denn in Wulff lobt sie einen
innerparteilichen Widersache in ein für sie selbst ungefährliches
Amt. Und für die als Favoritin gehandelte Ursula von der Leyen ist
nun sonnenklar, wer in der CDU das Sagen hat. Aus all diesen Gründen
ist der Ministerpräsident von Niedersachsen keiner, dem die
allermeisten Deutschen spontan zujubeln werden. Bei vielen dürfte die
Enttäuschung darüber überwiegen, dass, wenn es schon ein Präsident
aus den konservativen Lager sein muss, nicht wenigstens von der Leyen
als erste Frau ins Schloss Bellevue einziehen durfte. Es ist an
Christian Wulff, die Zweifler zu gewinnen. Das Zeug dazu hat er.
Wulff ist trotz seiner erst 50 Lebensjahre ein sehr erfahrener und
versierter Politiker. Er kann zuhören und überzeugen. Er ist kein
Haudrauf, keiner mit Ecken und Kanten. Und genau das ist seine
Chance. Wulff will die Menschen zusammenführen, hat er gesagt. Die
Frage ist, wie er dieses Vorhaben interpretiert. Wenn es ihm gelingt,
die Politiker zu erden, wenn er es schafft, dass deren hehren
Ankündigungen ebenso hehre Taten folgen, auch wenn sie wehtun, dann
hat er in diesen schwierigen Zeiten schon viel erreicht. Dieses Land
braucht einen Bundespräsidenten, der den politisch Handelnden
regelmäßig deutlich macht, von wem sie gewählt wurden und für wen sie
zu arbeiten haben. Wulff kann das. Deshalb hat er alle Chancen dazu,
dass die Menschen ihm und seinem Amt den Respekt entgegenbringen, zu
dem manche Politiker in den vergangenen Monaten gegenüber dem
Bundespräsidenten Horst Köhler nicht fähig gewesen sind.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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