WAZ: Die SPD und die Kohle - Wie unverbrüchliche Bündnisse enden. Leitartikel von Rolf Potthoff
Geschrieben am 16-07-2010 |
Essen (ots) - Wer zwischen Fördertürmen und Kokereien aufwuchs,
wer die unverbrüchliche Einheit von SPD und Montan-Beschäftigten
erlebt und die tausendfachen Treueschwüre für Kumpel und Kohle gehört
hat, der meint seit der rot-grünen Koalitionsbildung in NRW die
Sozialdemokratie nicht mehr zu verstehen. Vom alten Bekenntnis zum
Bergbau ist nur noch ein laues, so oder so interpretierbares Ja zur
Kohle geblieben. Verrät die Partei Tradition und Identität?
Tatsächlich wirkt es wie die Aufkündigung eines Ur-Prinzips der
Sozialdemokratie, eben der Solidarität mit der
Industriearbeiterschaft - doch im Grunde folgt sie nur einem Wandel:
Der Bergbau, der hier einst einer halben Million Menschen Arbeit und
Brot gab, ist ein Zweig, der vor allem vom Mythos noch zehrt. Und
diese Entwicklung kam nicht über Nacht. Die für viele bittere
Wahrheit ist in einer Umfrage von 2002 dokumentiert. Bereits damals
hielt im Ruhrgebiet eine Mehrheit die Zeit des Bergbaus für
"ablaufend oder abgelaufen" und nicht wenige, die ihn ganz
"abschaffen" wollten. Mit anderen Worten: Es vollzog sich die
Auflösung eines Milieus der "alten" Sozialdemokratie.
Somit erscheint die Distanz der Partei heute zur Kohle beinahe
plausibel. Sie geht nicht auf eine plötzliche Laune oder der Willkür
einer modernisierungswütigen Parteispitze zurück, sondern folgt einem
gesellschaftlichen sowie ökonomischen Wandel, der lange schon läuft.
Und - er widerspricht dem Anschein zum Trotz nicht unbedingt
sozialdemokratischen Idealen.
Von Anfang an strebte die Sozialdemokratie die Verbesserung, die
Humanisierung von gesellschaftlichen Daseinsbedingungen an und
verstand sich dabei als Bewegung des Fortschritts. Schutz und
Beistand brauchte einst vor allem die
(Industrie-) Arbeiterschaft, aber die große Ära der
Schwerindustrie ist überholt. Die Vertreter einer "neuen SPD" meinen,
den hohen moralischen Anspruch und das Fortschrittsideal der
Sozialdemokratie nunmehr damit zu erfüllen, indem sie sich für
Umwelt- und Ressourcen-schonenden Daseinsverbesserungen einsetzen,
wovon vor allem die Kinder- und Enkelgenerationen profitieren - das
macht es leichter, auf Distanz zur Kohle zu gehen.
Trotz alledem: Auch wenn der Bergbau an wirtschaftlicher Bedeutung
und Zahl der Beschäftigten dem Ende entgegengeht - im Revier wird er
noch immer als identitätsstiftend und "Sache des Herzens" empfunden.
Das darf auch die SPD nicht übersehen, die schon mit Hartz IV an
Urvertrauen eingebüßt hat. Jetzt sollten die Sozialdemokraten das
Neue tun, ohne das "Alte" zu lassen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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