Lausitzer Rundschau: Aussetzen heißt nicht aufgeben Minister will Bundeswehr zur Freiwilligenarmee umbauen
Geschrieben am 13-08-2010 |
Cottbus (ots) - Die Wehrpflicht für junge Männer passt nicht zur
hochkomplizierten Technik und Spezialisierung heutiger Armeen, sie
passt nicht zu den Auslandseinsätzen, mit ihren besonderen
Anforderungen an die Soldaten. Sie passt auch nicht zur aktuellen
Größe und Ausstattung der Bundeswehr, die alle wehrpflichtigen Männer
gar nicht beschäftigen kann, so dass die Auswahl zuletzt immer
willkürlicher geworden ist. Und dennoch gehen mit der Aufgabe der
Wehrpflicht mehrere zentrale Vorteile verloren. Da ist zum einen die
Verbindung zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Eine reine
Berufsarmee wird leichter zum Staat im Staate. Aber selbst wenn man
nicht so schwarz malt, bleibt es doch ein Vorteil, dass durch die
Wehrpflicht die Erfahrung Militär, positiv wie negativ, in normale
Familien Einzug hält. Das Interesse der Gesellschaft an der
Bundeswehr ist dadurch höher, der Blick kritischer. Auch sorgt die
Wehrpflicht dafür, dass das Potenzial der Verrohung, das jeder Armee
innewohnt, begrenzt bleibt. Zudem ist angesichts der demografischen
Entwicklung absehbar, dass nicht unbedingt die Klügsten und Reifsten
zur Berufsarmee gehen würden, sondern jene, die dort ihre einzige
Chance sehen. Eine negative Auslese also. Es sei denn, man macht den
Dienst sehr attraktiv - und damit teuer. Unter diesen
widerstreitenden Prämissen scheint der Verteidigungsminister mit
seinem Konzept einer Freiwilligen-Armee einen akzeptablen Kompromiss
gefunden zu haben. Wichtig daran ist, dass die Wehrpflicht nicht
abgeschafft, sondern lediglich ausgesetzt wird. Sie kann im
Bedarfsfall reaktiviert werden; alle Mechanismen bleiben erhalten.
Auf einem anderen Blatt steht, dass die künftige Größe der
Bundeswehr, 165 000 Männer und Frauen statt derzeit 250 000, allein
von den Finanzen diktiert wird und nicht von den Aufgaben. Wie viele
Einsätze muss die Bundeswehr stemmen können, welche Ausstattung und
Struktur braucht sie dafür, und wie kann der Verbrauch an Ressourcen
durch europäische Arbeitsteilung minimiert werden - die Antworten auf
diese Fragen müssten die Basis jeder Strukturreform sein. Guttenbergs
Reformvorschlag scheint nicht schlecht, doch wird man ihn noch vom
Kopf auf die Füße stellen müssen. Und dann wird man feststellen, dass
so viel Geld wie erhofft bei der Bundeswehr wohl doch nicht gespart
werden kann. Jedenfalls nicht, wenn man den Satz von der
internationalen Verantwortung Deutschlands noch halbwegs ernst nimmt.
Originaltext: Lausitzer Rundschau
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