WAZ: Selbstbildnis in öligen Farben - Kommentar von Lars von der Gönna
Geschrieben am 17-08-2010 |
Essen (ots) - Es ist nicht leicht, Günter Grass' Abschiedsroman zu
besprechen. Zu gerne hätte man damit auch ein Lebenswerk gewürdigt.
Ein Werk von enormer Vitalität, in den Anfängen vor allem: kraftvoll,
zuverlässig unbequem, trotzig sprachmächtig. Aber dann sieht und
liest man in seinem jetzt erschienenen Roman, dass Grass das Flechten
des Lorbeers nicht anderen überlassen wollte. Er, der 82-Jährige, der
sich neuerdings "ausgeschrieben" nennt, hat es rasch selber getan. In
öligen Farben schreibt da einer, der Besseres verdient hätte, noch
einmal seine eigenen Heldentaten auf, fast ohne Distanz, von der
eigenen Lebensleistung gänzlich hingerissen. Er sieht sich als
Prophet, als Kämpfer gegen Kapitalismus, Diktatur, Faschismus - und
druckst auf den fast 400 Seiten mit ein paar Zeilchen zu seinem
Führer-Eid herum. In einem Roman würde man sich über so eine Figur
lustig machen. Aber diese Geschichte ist aus dem Leben eines
deutschen Schriftstellers, der als Moralist gilt, der gegen das
Vergessen schreibt, der vieles weiß und das oft besser. Der
Literaturnobelpreisträger hat es versäumt, für sein eigenes Bild
jenes Mittel einzusetzen, das ihm in der Beschreibung anderer das
wichtigste war: Skepsis. Sein neuer Roman gilt eigentlich den
Gebrüdern Grimm. Es hat tragikomische Züge, dass Günter Grass so
märchenhaft gut darin wegkommt.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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