BERLINER MORGENPOST: Ein schwieriger Weg, aber ein guter - Leitartikel
Geschrieben am 26-08-2010 |
Berlin (ots) - Sie kann es also doch - wenn sie nur will und die
Zeit drängt. Die von der schwarz-gelben Koalition erzielte Einigung
zur Reform der Sicherungsverwahrung zeugt von Einsicht, gutem Willen
und Bürgernähe, wie sie die Regierung Merkel/Westerwelle bisher allzu
selten bewiesen hat. Dass der Kompromiss dazu noch ein brauchbarer
ist, macht die Sache noch besser. Dabei hatten die Innen- und
Rechtspolitiker von Union und Liberalen gleich zwei Probleme zu
lösen, die in den vergangenen Tagen die Bürger aufgeschreckt haben.
Ganz aktuell gilt es, sie vor Schwerverbrechern zu schützen, die nach
dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der
nachträglichen Sicherungsverwahrung zu entlassen sind, weil diese in
ihren Fällen rechtswidrig ist. Die "kriminellen Zeitbomben" vor ihrer
Entlassung noch einmal psychologisch begutachten zu lassen und
gegebenenfalls per Gerichtsbeschluss eine therapeutische Betreuung
anzuordnen, ist eine überzeugende Antwort auf die Auflagen der
Europäischen Richter. Zumal gleich ein anderer von ihnen
angeprangerter Zustand beendet wird: Die therapeutische Nachsorge
wird unter keinen haftähnlichen Bedingungen erfolgen. Jetzt ist -
soll der ausgehandelte Koalitionskompromiss im Alltag Bestand und
Erfolg haben - höchste Eile des Gesetzgebers geboten. 60 bis 80
Altfälle nämlich stehen zur Entlassung an. Die Gerichte werden ihre
Freilassung allenfalls zeitlich begrenzt hinauszögern. Wird aus der
Verständigung zwischen Innenminister de Maizière (CDU) und
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht
schnellstens ein Gesetz, werden die Schwersttäter einfach so
entlassen - 16 von ihnen sind es bereits. Auch sie noch rückwirkend
in den Kompromiss einzubeziehen, wie es die Koalitionäre hoffen,
dürfte allerdings eine höchst beunruhigende Fehleinschätzung sein.
Denn die Risiko-Täter müssten sich freiwillig zur Behandlung melden.
Die Bürger vor ihnen zu schützen, bleibt deshalb vorerst an den
Landespolizeien hängen. Das wird zu ebenso nachvollziehbarer Kritik
führen wie die vermutliche Übernahme der Kosten für die Behandlung in
den therapeutischen Anstalten durch die jeweiligen Länder. Sicherheit
für die Bürger hat es allerdings noch nie zum Nulltarif gegeben. Weit
weniger dringlich als die Lösung der Altfälle ist eine rechtlich
einwandfreie und zugleich schutzwirksame Regelung für die künftige
Sicherungsverwahrung. Auch die hierfür bereits erzielten Einigungen
mit Fußfessel und Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwerste
Gewalttäter sind vernünftige Wegweisungen. Bleibt am Ende die
Hoffnung, dass sich andere Fachpolitiker der Koalition ein Beispiel
nehmen an ihren Kollegen der Innen- und Rechtspolitik.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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