WAZ: Sarrazin, die SPD, die Bundesbank - Worüber man reden kann und worüber nicht - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 01-09-2010 |
Essen (ots) - Den vielen Sozialdemokraten, die jetzt gegen einen
Rauswurf von Thilo Sarrazin aus der SPD protestieren, muss man sagen:
Sorry, aber darüber, was er im Kern gesagt und geschrieben hat, kann
man nicht diskutieren. Nicht, ohne sich in irgendeiner Weise
mitschuldig zu machen. Wollen wir wirklich eine Debatte führen über
biologisch-kulturelle Festlegungen als Ursachen fehlender oder
mangelnder Integration von Migranten? Das wäre ein zivilisatorischer
Rückschritt: Wir haben mit großer Anstrengung diese Art von
Denkverirrung überwunden; und Wolfgang Schäubles Hinweis auf die
Verheerungen, die sozialdarwinistische Theorien vor gar nicht so
langer Zeit stifteten, ist ja nur zu berechtigt. Ginge es nur um eine
scharfe Abrechnung mit einer falschen Integrationspolitik: Darüber
ließe sich streiten. Ginge es nur um die Frage, ob ein gut gemeinter
Sozialstaat, anstatt Teilhabe zu fördern, diese verhindert: Auch das
wäre eine ernsthafte Debatte wert. Aber darum geht es Sarrazin ja
nicht. Es geht ihm um viel mehr: Er will feststellen, dass
biologische, genetische, also unveränderbare Faktoren in Kombination
mit kulturell-historischen, gleichfalls unverrückbaren Prägungen
Menschen festlegen. Dieser biologisch-kulturelle Determinismus ist
anti-aufklärerisch, man darf ihn also nicht dulden. "Habe Mut, dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen", hat Kant gesagt. Und dass
Aufklärung der Ausgang des Menschen aus selbst verschuldeter
Unmündigkeit sei. Kant will uns sagen: Wir haben die Kraft, unser
Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sarrazin will uns sagen:
Genau das können wir uns sparen. Die SPD muss also Sarrazin
herauswerfen, genauso, wie ihn auch die CDU hinauswerfen müsste. Die
Bundesbank muss sich von Sarrazin trennen, weil er mit seinem
Verhalten deren Unabhängigkeit infrage stellt, also als
Vorstandsmitglied dieser wichtigen Institution Schaden zufügt.
Bundespräsident Wulff, Bundeskanzlerin Merkel, Bundesbankchef Weber
und SPD-Chef Gabriel müssen den vielen Menschen, die glauben,
Sarrazin habe ja recht, genau erklären, weshalb dies nicht der Fall
ist. Und dann muss einen tabulose Diskussion stattfinden über die
Leistungen und Versäumnisse der Integrationspolitik. Eine Debatte,
die übrigens längst hätte geführt werden müssen und um die sich alle
Parteien herumgemogelt haben. Dass ausgerechnet jemand wie Sarrazin
dieses Versäumnis durch seine krachenden Thesen auf die Tagesordnung
setzen konnte, haben sie sich selbst zuzuschreiben.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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