Westdeutsche Zeitung: Breite Ablehnung für Forderung nach einer EU-Steuer = von Martin Vogler
Geschrieben am 07-09-2010 |
Düsseldorf (ots) - Ob es um den Grad der Krümmung von Gurken, die
exakte Zählung aller Milchkühe oder um alberne, aber politisch
korrekte, geschlechtsneutrale Bezeichnungen in allen Lebenslagen
geht: Die Europäische Union ist stets gut dafür, ein verständnisloses
Kopfschütteln bei ihren 500 Millionen Einwohnern auszulösen. Wobei es
oft nicht beim amüsierten Schmunzeln bleibt, denn mit der EU
assoziieren die meisten auch einen aufgeblähten Verwaltungsapparat
mit luxuriös alimentierten Mitarbeitern. Die EU hat das schlimme
Image, teuer und uneffektiv zu sein. Woran übrigens nationale
Politiker nicht unschuldig sind. Denn für sie ist es oft bequem, die
Schuld den "Bürokraten in Brüssel" zu geben. Barrosos Forderung, die
EU müsse eigene Finanzquellen erschließen, egal ob direkte Steuern
oder Anleihen, verschreckt Bürger und alle 27 Mitgliedsstaaten. Der
Verdacht, dass sich Brüssel für hemmungsloses Geldausgeben jetzt
sogar ein Selbstbedienungssystem bastelt, liegt nah. Außerdem haben
bislang die einzelnen Staaten, wenn sie etwa per Umlage die EU
finanzieren, das Gefühl, sie können als "Zahlmeister" auch Einfluss
auf Entscheidungen nehmen. Was allerdings eine Illusion ist. Denn
auch wenn es unsere nationalen Politiker wegen ihres
Selbstwertgefühls und der Wirkung im Lande nicht zugeben wollen:
Längst haben sie in wichtigen Fragen die Macht abgegeben. Dabei geht
es nicht nur um Kuriositäten wie krumme Gurken, sondern um
Kernthemen. Selbst ihre eigenen Finanzen dürfen die Mitgliedsstaaten
nur bedingt selbst regeln. Und wir sind auf dem Weg zu einer
europäischen Wirtschaftsregierung. Insofern ist die Empörung in den
einzelnen Ländern über den Wunsch nach direkten Einnahmen
verständlich, aber scheinheilig. Denn die nationalen Politiker wissen
viel besser als der Bürger, dass der Spielraum der Staaten längst
sehr eng geworden ist. Doch das ist nicht schlimm. Denn wenn wir eine
starke Union wollen, um in ganz Europa wirtschaftlich voran zu
kommen, gut leben zu können und international stark zu sein, müssen
wir diesen Weg auch konsequent gehen. Dazu gehört eine direkte
Finanzierung. Allerdings muss die Union dann zu einer
verantwortungsvollen Ausgabenpolitik finden.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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