WAZ: Fairer Handel wäre das Thema: Wenn der Chinese kommt - Kommentar von Ulrich Reitz
Geschrieben am 11-09-2006 |
Essen (ots) - Morgen kommt Chinas Premier Wen Jiabao nach Deutschland, und es ist klar, was er von der deutschen Kanzlerin will. Merkel soll dafür sorgen, dass die Europäer das Waffen-Embargo beenden, mit dem sie China seit dem Tiananmen-Massaker belegen. Über Menschenrechtsfragen will Wen nicht reden, er spricht von "so genannten" Menschenrechten, als ob die nicht universell gültig wären und Peking ein eigenes Recht darauf hätte, was einem Individuum an Freiheit zugebilligt und Unfreiheit zugemutet werden soll. Und auf keinen Fall will Wen über Handelsfragen und Menschenrechte gleichzeitig reden.
Genau das aber wäre vonnöten. Denn China verdankt seinen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung eben auch der Verletzung der Menschenrechte. Dies offensiv anzusprechen, ist im ureigenen deutschen Interesse. So ist zwar offenkundig, dass deutsche Firmen von Chinas Wachstum profitieren, aber eben nicht zwingend deutsche Arbeitnehmer. Wenn nämlich deutsche Firmen sich in China ansiedeln, dann sichert das nicht nur Jobs in Deutschland, es kostet auch welche hier. Autozulieferer-Arbeitsplätze, die nach China verlagert werden, dienen nicht nur der Erschließung des chinesischen Marktes, sondern auch der Senkung der Kosten hier. Hinter diesem Prozess stecken nicht in jedem Fall böse Kapitalisten, die ihre Rendite rücksichtslos steigern wollen, sondern der Markt, was eben auch heißt: der Kunde.
Kühl bringt es der "Spiegel" auf den Punkt: "Mit jedem Kauf eines fernöstlichen Produkts erteilen die Käufer dem heimischen Sozialstaat und seinen Lieferbedingungen eine Absage." Deutsche Radios und Handys verschwinden auch darum vom Markt, weil der Käufer ein globalisierungsoffener Materialist ist, dem sein Portmonee näher liegt als der Telefon-Arbeitsplatz seines Nachbarn bei Siemens.
China erschleicht sich Kostenvorteile durch mangelhaften Umweltschutz, Kinderarbeit, überhaupt: oft unwürdige Arbeitsbedingungen, durch eine rigorose Privatisierungspolitik, die den früheren Staatsangestellten ihre sozialen Sicherheiten nimmt (etwa die Rente), und: durch Produktpiraterie. Auch die brutale Einschränkung der Meinungsfreiheit dient nicht zuletzt einem wirtschaftlichen Ziel. Hier sollte Merkel ansetzen. Dem Manchester-kapitalistischen China-Chef Wen nicht mit Protektionismus drohen, sondern faire Freihandelsbedingungen einklagen, eben: Waffengleichheit.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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