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Verbraucherinformationsgesetz: Umwelthilfe fordert Transparenz statt Geheimnistuerei

Geschrieben am 19-09-2006

Berlin (ots) -

- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen
Pressemappe zum Download vor und ist unter
http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -

Bundesrat soll VIG nicht als "verbraucherrechtlichen Torso"
verabschieden sondern an moderne Verbraucherschutzstandards im
Ausland anpassen - Informationsfreiheitsbeauftragte von Bund und
Ländern beklagen "unzureichende Transparenzregeln" im
Seehofer-Entwurf - Neuregelung muss weitere Lebensmittelskandale
verhindern

Nach dem jüngsten bundesweiten Gammelfleischskandal hat die
Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) den Bundesrat aufgerufen, das
Verbraucherinformationsgesetz (VIG) an diesem Freitag (22. September)
in der Länderkammer zu stoppen und seine grundlegende Überarbeitung
zu verlangen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen gebe es
dafür sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Experten eine
klare Mehrheit. Bei gutem Willen der beteiligten Politiker in Bund
und Ländern könne "aus einem verbraucherrechtlichen Torso binnen
weniger Wochen ein Transparenzgesetz entwickelt werden, das
internationalen Standards genügt", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer
Jürgen Resch. Er wies darauf hin, dass das VIG in der bisherigen Form
nicht geeignet sei, den nächsten Lebensmittelskandal zu verhindern
und sein erklärtes Ziel verfehle, für mehr Transparenz in der
Wirtschaft zu sorgen.

"Der eben erst aufgedeckte Kühlhausskandal hat bei
verantwortlichen Politikern in Bund und Ländern bisher leider nicht
zu mehr Nachdenklichkeit geführt, sondern zu mehr Nebelwerferei",
monierte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Es grenzt an
Volksverdummung, wenn Verbraucherschutzminister Horst Seehofer und
einige seiner Länderkollegen behaupten, mit dem im Bundestag
verabschiedeten VIG werde alles besser." Das habe im Übrigen auch
die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD)
erkannt, die dem Seehofer-Gesetz am Montag "gravierende Mängel"
attestierte. Außerdem habe die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern
erfreulicherweise - allerdings nur unterstützt vom Land Berlin - im
Bundesrat Vorschläge für eine deutliche Verbesserung des zur
Verabschiedung stehenden VIG vorgelegt. Resch erklärte, dass sich
"Sinn und Unsinn dieses Gesetzes daran entscheidet, ob bei künftigen
kriminellen Verstößen gegen die Schutzbestimmungen des
Verbraucherrechts regelmäßig Ross und Reiter genannt werden." Gerade
an diesem entscheidenden Punkt bringe das vor der Sommerpause im
Bundestag verabschiedete VIG jedoch keinen erkennbaren Fortschritt.

In Richtung Lebensmittelwirtschaft sagte der DUH-Geschäftsführer,
er wundere sich über deren defensive Haltung zum VIG. "Die schwarzen
Schafe schädigen mit jedem aufgedeckten Lebensmittelskandal immer
aufs Neue ganze Branchen und treiben ehrbare Unternehmen an den Rand
des Ruins. Gleichzeitig fordern die einschlägigen
Wirtschaftsverbände, am besten ganz auf das VIG und mehr Transparenz
zu verzichten. Das verstehe wer will". Unter Hinweis auf wirksame
Informationsgesetze in den USA, in Großbritannien und Dänemark, wo
zum Beispiel die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen regelmäßig und
für jedermann zugänglich veröffentlicht werden, verlangte Resch,
Verbraucherpolitiker müssten in Deutschland "die weltbesten Standards
eines modernen Verbraucherschutzes anstreben, statt Abwehrkämpfe
gegen demokratische Informationsansprüche der Konsumenten zu führen.
Vorbild sollte dabei auch Südafrika sein, wo Informationsansprüche
ausdrücklich auch gegenüber privaten Wirtschaftsunternehmen
vorgesehen sind."

Nach Überzeugung der DUH muss den Behörden in dem VIG - entgegen
der bisherigen Absicht - ausdrücklich eine aktive Informations- und
Warnpflicht aufgegeben werden. Im Prinzip müssten die Ergebnisse von
Lebensmittelkontrollen - positive wie negative - zeitnah und
regelmäßig zum Beispiel im Internet veröffentlicht werden. Den
Verbraucherinnen und Verbrauchern müsse auch gegenüber privaten
Unternehmen ein Informationsanspruch eingeräumt werden unter Wahrung
eines, freilich eng gefassten, Schutzes von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen. Auch bei den Informationsansprüchen der
Verbraucher gegenüber den Behörden "darf das Gesetz nicht mit Hilfe
ausladender Ausnahmetatbestände faktisch zu einem
Informationsverhinderungsgesetz verkommen", sagte Cornelia Ziehm, die
Leiterin Verbraucherschutz und Recht bei der DUH. Nach dem bisherigen
Wortlaut entscheiden die Unternehmen selbst, was ein Betriebs- und
Geschäftsgeheimnis ist und das auch noch nachträglich, wenn sie von
einer konkreten Bürgeranfrage Kenntnis erlangen. Begründen müssen sie
ihre Einschätzung gegenüber niemandem. Schließlich dürfen sie auch
Daten geheim halten, die sie selbst als "wettbewerbsrelevant"
einstufen, damit wird einem Missbrauch quasi Tür und Tor geöffnet.
Weil nach der VIG-Vorlage insbesondere dann keine Informationspflicht
besteht, wenn bereits gegen ein Unternehmen ermittelt wird, fordert
die DUH eine "Warnpflicht der Behörden über festgestellte Verstöße
binnen 24 Stunden."

Ziehm erklärte, dass nach der Verbraucherkommission
Baden-Württemberg (der so genannten Oettinger-Kommission), die den
VIG-Entwurf vor der Verabschiedung im Bundestag passagenweise
gleichlautend kritisiert hatte wie die DUH (s. DUH-PM vom 15. Mai
2006), auch andere Experten aus Bund und Ländern dem im Bundestag
verabschiedeten VIG schlechte Noten erteilt haben. Auf ihrer Sitzung
Ende Juni erklärten die Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes
und der Länder der VIG-Entwurf schaffe "nur unzureichende
Transparenzregelungen, die außerdem die Unternehmen nicht ausreichend
zur Offenlegung der verbraucherschutzrelevanten Daten verpflichten."
Für mehr Transparenz in der Wirtschaft müsse der Gesetzentwurf
nachgebessert werden, verlangten die Experten aus Bund und Ländern,
um im Anschluss die Kritik zu formulieren, die auch die DUH schon im
Juni vorgetragen hatte.

Ziehm forderte die Bundesländer auf, nicht länger gegen ein
modernes Verbraucherschutzrecht zu agieren: "Die unionsgeführten
Länder müssen nicht einmal über ihren Schatten springen, sie müssen
nur umsetzen, was sie vor vier Jahren als Opposition im Bundesrat
gefordert haben," sagte Ziehm und erinnerte an einen
Bundesratsbeschluss aus dem Mai 2002. Damals hatten die Unionsländer
das von der damaligen Bundesregierung vorgelegte VIG mit der
Begründung abgelehnt, es bleibe hinter seiner Zielsetzung zurück, dem
Verbraucher zu mehr Information, Transparenz und Klarheit zu
verhelfen. Der so genannte Künast-Entwurf hätte den Unternehmen
allerdings mehr Offenheit abverlangt und ihnen erheblich weniger
Möglichkeiten eingeräumt, angebliche Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse zu verheimlichen, als der jetzt zur Debatte
stehende Entwurf. Ziehm: "Der bayerische Verbraucherschutzminister
Sinner hat den Beschluss der Länderkammer damals unterstützt. Jetzt
hat sein Nachfolger, Werner Schnappauf, die seltene Gelegenheit die
bayerische Position von damals mit Verspätung doch noch durchzusetzen
- gegen Horst Seehofer. Gleiches gilt übrigens auch für den
rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, der bei der
Abstimmung am Freitag nun anscheinend mit den unionsregierten Ländern
für ein unwirksames Gesetz stimmen will".

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Für Rückfragen:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170,
Fax.: 030 258986-19, E-Mail: resch@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht, Deutsche
Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030
258986-0, 0160 5337376, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0,
Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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