Neues Deutschland: Neues Deutschland, Berlin, zum Amoklauf in den USA
Geschrieben am 03-10-2006 |
Berlin (ots) - Amokläufe entziehen sich einer rationalen Einzelfallerklärung. Was auch immer den 32-jährigen Lkw-Fahrer in Pennsylvania zu seiner abscheulichen Tat bewegt hat, wird als Argument keinem Menschen einleuchten. Der Amok macht nur für den Amokläufer Sinn. Doch auch wenn gesellschaftliche Erklärungsmuster nicht hinreichend den Einzelfall erklären, so sind sie doch hilfreich für das Phänomen Amoklauf an sich: dem Wahnsinn mit Methode. In einer Gesellschaft, in der Gewalt den Alltag immer stärker bestimmt, wird der Versuch naheliegender, Probleme irgendwelcher Art mit Gewalt zu lösen. Nicht zwangsläufig, aber prinzipiell. So nimmt es auch kein Wunder, dass die USA in Sachen Amokläufe führend ist - allein drei in der letzten Woche mit Pennsylvania als traurigem Höhepunkt. In kaum einem Land ist es so einfach, an Waffen zu gelangen. Das Recht auf ein Schießeisen ist in der Verfassung verbürgt. Mit Gewalt im Notfall Interessen durchzusetzen, ist gewissermaßen Staatsraison: derzeit ganz direkt in Irak und Afghanistan. Die weltweiten Rüstungsausgaben liegen inzwischen mit über einer Billion US-Dollar wieder höher als zur Zeit des Kalten Krieges - rund 40 Prozent entfallen auf die USA. Die Gewalt in den Medien tut ein Übriges, um Gewalt als normal wahrzunehmen. Dennoch sterben in den Bandenkriegen in den US-amerikanischen Städten täglich weit mehr als bei den spektakulären Amokläufen. Sie sind viel stärker Ausdruck einer verbreiteten gesellschaftlichen Verrohung und der Perspektivlosigkeit vieler Menschen. Amokläufe sind nur die nicht mehr erklärbare Spitze des Eisbergs.
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