Südwest Presse: Kommentar zur Türkeireise
Geschrieben am 06-10-2006 |
Ulm (ots) - Innenpolitisch geschwächt vom Ringen um die Gesundheitsreform musste sich Angela Merkel umgehend auf nicht minder tückisches außenpolitisches Parkett begeben. Sie hat dabei einerseits ihre bisherige Linie fortgesetzt, gemessen an den sonstigen diplomatischen Gepflogenheiten die Probleme recht offen anzusprechen. Im Umgang mit Minderheiten, in der Akzeptanz der Religionsfreiheit, aber auch in der Zypern-Frage liegen Welten zwischen den Erwartungen an die nach Europa strebende Türkei und der Wirklichkeit am Bosporus. Die Kanzlerin hat andererseits die dünn gewordene Vertrauensbasis zwischen der Europäischen Union und den Türken aber nicht zusätzlich belastet. Die deutsche Regierung wird sich, wenn sie im Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, an geltende Verträge halten und Ankara keine weiteren Steine in den Weg legen - selbst wenn Merkel als CDU-Chefin an ihrer Idee einer privilegierten Partnerschaft mit der Türkei statt der Vollmitgliedschaft festhält. Mehr als diese Zusage konnte Ankara kaum erwarten. Der türkische Premier Erdogan hat sich trotz bevorstehender Wahlen in einem stramm national gesonnenen Umfeld seinerseits bemüht, Vertrauen zu schaffen und jegliche neue Provokation vermieden. Berlin und Brüssel werden gleichwohl noch viel Geduld mit diesem strategisch und wirtschaftlich so wichtigen Partner aufbringen müssen.
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