LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Putin-Besuch
Geschrieben am 10-10-2006 |
Leipzig (ots) - Angesichts von Lage, Größe sowie ökonomischer und energetischer Ausstattung kann sich Europa im Umgang mit Russland vieles leisten - zu allererst auch das unversöhnliche Drängen auf Einhaltung eines Grundstandards in Wertefragen. Aber ganz sicher gehört nicht zur europäischen Handlungsalternative die nassforsche Behauptung der Bush-Administration, man sei nicht angewiesen auf eine strategische Partnerschaft mit Russland. Die Weltmacht im Osten, ein weniger umstrittenerer Teil Europas als beispielsweise die Türkei, ist entweder Partner oder Gegner. Letzteres wäre gleichbedeutend mit einem Rückfall in den Kalten Krieg.
Deutschland - und das liegt nicht nur an Kohl und Schröder, den Sauna- und Kumpelfreunden mit den jeweiligen russischen autokratischen Potentaten - ist der Brückenbeauftragte zwischen Russland und Europa. Aus dieser Rolle kann Berlin nicht raus, egal wer hier, wer dort regiert. Schlau und verantwortlich verhält sich, wer auf dieser Basis seinen Handlungsspielraum ausschöpft und nicht derjenige, der meint, es käme auf die dicksten Kumpeleien, auf die größten Schlagzeilen oder bloß auf das gesponserte Spektakel zwischen Schalke 04 und Putins halbstaatlicher Gazprom an.
Strategische Spielereien, wie sie womöglich dem einen oder anderen Westentaschen-Diplomaten einfielen, um Russland gegen ein merkwürdiges Bush-Amerika auszuspielen, sind getrost zu vergessen. Es ist ein Gebot der Klugheit, Russlands inneren Wandel durch eine vielfältige Einbindung zu begleiten. Merkel, die russisch sprechende Duz-Freundin Putins, lässt eine gewisse wohltuende Distanz zu alberner Staatsgipfelei im Umgang mit Russlands Mächtigen erkennen. Da, wo andere, etwa im Tschetschenien-Konflikt, Kritik hinter meist verschlossener Tür übten, verlangt sie auch offen Mindeststandards zum Schutz von Leben, Meinungsfreiheit und demokratischer Strukturen. Das ist aber nicht viel mehr als eine Verhaltenskorrektur in homöopathischen Dosen. Putin hat gelernt, auch damit umzugehen. Sie werden, so das nüchterne Fazit interessanter russisch-deutscher Dialogstunden in Dresden, nichts daran ändern, dass Russland nicht durch lautstarke Provokation, sondern nur durch die Verbindung von aufrechter Kritik und beständiger Annäherung ein akzeptierter europäischer Partner wird.
In Russland passiert nichts Wichtiges ohne Wissen von Putins Kuratel. Die Ermordung von Anna Politkowskaja ist der jüngste spektakuläre Fall einer systematischen Ausschaltung einer kritischen Medienwelt. Der Weg Russlands vom Zarismus und Sowjetimperialismus zum globalen Weltmachtpartner beinhaltet die Ermordung der Freiheit des Wortes. Das Angebot des Staatspräsidenten zur Partnerschaft bei Industrie und Energie geht einher mit der zunehmenden Abschottung der russischen Märkte vor ausländischer Kooperation. Demokratie wird missbraucht zum Erhalt einer vordemokratischen Präsidialstruktur. Russlands Weg in die Moderne ist voller Widersprüche. Aber das ändert nichts am gemeinsamen Lebensraum mit Europa.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
Rückfragen bitte an: Leipziger Volkszeitung Redaktion Telefon: 0341/2181 1558
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
33819
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Russland-Politik: Merkels Spagat Düsseldorf (ots) - Von Stefan Reker Bundeskanzlerin Angela Merkel wirkte beim Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin angespannt fast noch stärker als auf dem Höhepunkt des Koalitionsstreits zur Gesundheitsreform. Kein Wunder, denn im Umgang mit den russischen Machthabern ist höchste diplomatische Kunst gefragt. Es geht um die heikle Aufgabe, einen wichtigen und künftig noch weit mächtigeren Partner enger mit Deutschland zu verbinden, zugleich aber dessen Verstöße gegen Demokratie und Menschenrechte zu bekämpfen. Es mehr...
- WAZ: Überholverbot für Lkw: Auf die rechte Spur - Kommentar von Steffen Gaux Essen (ots) - Elefantenrennen sind jedem Autofahrer ein Dorn im Auge. Es ist unerträglich, wenn ein Lkw den anderen überholt, nur weil er einen oder zwei Stundenkilometer schneller ist. Genauso unerträglich ist es, dass überholte Lkw-Fahrer nicht für fünf Sekunden vom Gas gehen können. Die Folge ist immer dieselbe: stockender Verkehr! Auch die Gefahr solcher Überholmanöver sollte nicht unterschätzt werden. Denn die meisten Elefantenrennen beginnen mit einem plötzlichen Ausscheren des überholenden Lasters. Deshalb: Lkw auf die rechte mehr...
- WAZ: Putin in Dresden: Ein Mann mit vielen Gesichtern - Kommentar von Angela Gareis Essen (ots) - Wladimir Putin hat Deutschland gestern sein wohlerzogenes Gesicht gezeigt. Staatsmännisch und freundlich präsentierte sich der russische Präsident an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich in anderer Gesellschaft vermutlich wohler gefühlt hätte. Putin hat viele Gesichter, er kann extrem desinteressiert dreinschauen, während eine grenzenlose Öffentlichkeit entsetzt auf den Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja reagiert. Er kann grausam aussehen, wenn er westlichen Journalisten jede Frage nach Menschenrechten mehr...
- Rheinische Post: Desaster für Siemens Düsseldorf (ots) - Von Martin Kessler Es war fast abzusehen. Jetzt geht bei BenQ doch alles viel schneller zu Ende als bisher gedacht. Für rund 1000 Mitarbeiter in München, Kamp-Lintfort und Bocholt ist einfach keine Arbeit mehr da. Die Menschen sollen nun sofort gehen. Das ist bitter, zumal sich die Beschäftigten vorkommen müssen wie ein abgelegtes Kleidungsstück, das nicht mehr passt. Das abrupte Ende der Handy-Produktion in Deutschland nährt einmal mehr den Verdacht, dass der Verkäufer Siemens sich ganz schnell eines Problems entledigen mehr...
- stern-Umfrage: Union weiter im Tief Hamburg (ots) - Die Union verharrt in der Wählergunst auf ihrem Jahrestief. In der wöchentlichen Politumfrage von stern und RTL kommt sie wie in den vorigen beiden Wochen lediglich auf 29 Prozent. Die SPD liegt mit 30 Prozent weiter einen Punkt vor CDU/CSU. Stabil zeigten sich auch die Werte der kleinen Parteien: Die FDP kann ihr Jahreshoch von 15 Prozent halten, Grüne und Linkspartei erreichen wie in der Vorwoche je 10 Prozent. Auf "Sonstige Parteien" entfallen 6 Prozent. Datenbasis: 2001 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger vom mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|