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Lausitzer Rundschau: Zur Debatte um die neue Armut Die Mitmach-Gesellschaft

Geschrieben am 16-10-2006

Cottbus (ots) - Wohlstand für alle! Der Spruch stammt nicht aus
der Anarcho-Szene, sondern von Ludwig Erhard. Der damalige
Bundeswirtschaftsminister hat so sein 1957 veröffentlichtes Buch
überschrieben - und damit das Versprechen formuliert, dass die
soziale Marktwirtschaft westdeutscher Prägung allen ihren Bürgern
geben wollte: Du kannst es zu etwas bringen, wenn Du Dich nur
genügend anstrengst.
Natürlich konnte auch die alte Bundesrepublik diesen Anspruch nicht
immer einlösen. Aber sie hat ihn doch in weiten Teilen eingelöst und
auch manchem Un- oder Angelernten die Gelegenheit gegeben, sich den
Wunsch nach dem kleinen Glück, der gemütlichen Wohnung, dem Fernseher
und dem Volkswagen, zu erfüllen.
Nach der politischen Wende galt das Versprechen der sozialen
Marktwirtschaft auch für die neuen Länder. Und tatsächlich ist es
hier seit 1990 einer ganzen Reihe von Menschen gelungen, sich mit
Fleiß und harter Arbeit im vereinigten Deutschland etwas aufzubauen.
Heute, 16 Jahre später, ist zugleich aber vielen im Osten der Glaube
an die Chance auf sozialen Aufstieg abhanden gekommen. Auf zwanzig
Prozent der Bevölkerung beziffert die Friedrich-Ebert-Stiftung jenen
Bevölkerungsteil, dessen Mitglieder ihr Leben als gesellschaftlichen
Abstieg empfinden, die keine Perspektiven mehr sehen, die arm, nicht
mobil und ohne familiären Rückhalt sind. Die Rede ist schon von einer
"neuen Unterschicht", die Verfasser der Studie selbst sprechen vom
"abgehängten Prekariat" - hergeleitet von den beschriebenen prekären,
also unsicheren, Lebensverhältnissen.
Nun kann der Fakt, dass es einen großen Bevölkerungsteil mit den
beschriebenen Eigenschaften gibt, im Osten niemanden überraschen.
Wenn die neue Debatte darüber einen Sinn haben soll, dann muss sie
sich um die Frage drehen, wie den betroffenen Menschen die
Perspektive auf eine Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen
Leben - und eben auch auf einen gewissen Wohlstand - wiedergegeben
werden kann. Dazu gehört sicher an vorderster Stelle die Schaffung
gleicher Chancen für alle auf bestmögliche Bildung. Aber wohlgemerkt:
Nicht jeder hat das Zeug zum IT-Ingenieur. Es gilt, Wege zu finden,
wie sich möglichst viele gemäß ihren Fähigkeiten einbringen können.
Und zwar jenseits jener Jobs, die den Arbeitswert von Menschen auf
einen Euro pro Stunde taxieren und damit keinen Raum mehr für
Selbstwertgefühl und Motivation lassen. Die Mitmach-Gesellschaft -
das wäre doch ein lohnendes Projekt für eine Volkspartei, egal ob sie
sich dabei auf sozialdemokratische oder christliche Tradition beruft.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=47069
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_47069.rss2

Rückfragen bitte an:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
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