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LVZ: Schröder-Freund Benneter: Vorgezogene Neuwahl hat Schröder vor dem Sturz durch die eigene Fraktion bewahrt / Schröder-Nostalgie ist angesichts von Kanzlerin Merkel bereits voll entbrannt

Geschrieben am 21-10-2006

Leipzig (ots) - Klaus Uwe Benneter, der frühere
SPD-Generalsekretär und enge politische Wegbegleiter von Alt-Kanzler
Gerhard Schröder, sieht derzeit in der Führungsgarde seiner Partei
"keinen, der auch nur halb so mutig im politischen
Entscheidungsgeschäft ist wie Gerhard Schröder". Der Politiker räumte
aber zugleich ein, dass Schröder und der SPD nach der für die
Sozialdemokraten verloren gegangenen Landtagswahl in
Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 keine andere Möglichkeit
geblieben sei, als sich in Neuwahlen zu flüchten.

Anlässlich der Präsentation von Schröders Memoiren in der
kommenden Woche meinte Benneter in einem Gespräch mit der "Leipziger
Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe): Nach der NRW-Wahl hätte die
rot-grüne Regierung unter Schröder "sicher nicht" die reguläre
Bundestagswahl im Herbst 2006 erreicht. Schröder wäre "in den Monaten
danach vom eigenen Lager abgewählt worden", ist Benneter überzeugt.
Schröder habe mit seinem Neuwahl-Vorstoß "verhindert, dass die SPD in
eine existenzielle Auseinandersetzung stürzt". Sein Schachzug habe
mit dafür gesorgt, dass die Wahlniederlage der SPD in
Nordrhein-Westfalen "bis heute nicht richtig aufgearbeitet" worden
sei. Der beginnende Bundestagswahlkampf habe niemandem mehr "die Luft
gelassen, da rein zu blasen", meinte Benneter. Im Ergebnis habe sich
ein Teil in die Linkspartei davongemacht, der "kleine Rest", der von
den Kritikern sich noch in der SPD herumtummele, sei "ein Stück
orientierungslos und eiert rum". Weil einige wenige von denen heute
Kritik an Schröders Politik "in der Wortwahl Oskar Lafontaines"
übten, müsse man sich fragen, gehe es mit denen noch?

Zugleich prophezeite Benneter, der von März 2004 bis November 2005
SPD-Generalsekretär war, eine neue Sehnsucht nach Schröder und seiner
Regierungs-Kunst. "Die Schröder-Nostalgie hat angesichts der Praxis
der jetzigen Regierung schon voll begonnen". Die Leute wüssten
genau, Schröder habe "in schwierigen Situationen den Mut zum Risiko
gehabt" und sich um die entscheidenden Weichenstellungen als Chef
immer persönlich gekümmert, stets nach dem Motto: "Wer nichts wagt,
der kann auch nichts gewinnen."

Die amtierende Kanzlerin der großen Koalition, Angela Merkel
(CDU), sei, in diesem Sinne, "das Gegenteil von Schröder: Die wagt
nichts, kann aber auch nichts gewinnen". Man müsse aber in der
Politik als Regierungschef "führen und steuern", das hätten die
Menschen immer an Schröder geschätzt. Die CDU-Politikerin Merkel habe
zwar auch gezeigt, "dass sie schlau ist und über eine gewisse
Gerissenheit verfügt", um sich gegen "die schwarzen Männer in der
Union" durchzusetzen, sagt Benneter. Aber Schröder, das Kind kleiner
Leute, habe "gelernt, sich durchsetzen zu müssen, unter viel
widrigeren Umständen als sie in der Biografie von Frau Merkel
festzustellen sind". In der Politik müsse sich an der vordersten
Front entscheiden, ob man gestalten oder ewig lang erklären wolle.
"Schröder hat vieles besser gemacht, als Kohl vor ihm, weil er
Deutschland wettbewerbsfähig gemacht hat. Dazu muss man entscheiden,
da kann man sich nicht vier Jahre Zeit für Erklärungen lassen." Kohl
sei vor den großen Wettbewerbs- und Modernisierungsnotwendigkeiten
"immer zurück gezuckt". Der habe sich "nur am Ruder festgehalten und
von der Hand in den Mund gelebt". Gescheitert sei Schröder, wenn
überhaupt, weil er mit seinen Ansprüchen "zu schnell, zu vorwitzig,
zu weit vorne war" und andere "zu lang gemütlich hinterlatschten".

Er hätte "auch in diese große Koalition von Anfang an einen ganz
anderen Zug reingebracht". Spätestens, wenn die SPD ihren nächsten
Kanzlerkandidaten benannt habe und wenn es im Bundestagswahlkampf
gegen Frau Merkel gehen werde, "dürfte bei den Wählern die
Nostalgiewelle einsetzen". Schließlich habe nach der Bundestagswahl
2005 "nur ein halbes Prozent gefehlt, dann wäre Schröder Kanzler
geblieben und die Dinge würden heute besser laufen".

Schröders Memoirenbuch unter dem Titel "Entscheidungen - Mein
Leben in der Politik" wird am kommenden Donnerstag offiziell
vorgestellt. Zunächst erscheinen für jeweils "sehr hohe sechsstellige
Euro-Beträge" Vorabdrucke in einzelnen Medien. Das Buch enthält, nach
Informationen der Zeitung, keine Abrechnung mit Parteifreunden und
Gegnern, auch nicht mit den Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine oder
Rudolf Scharping. Zum Kapitel vorgezogene Bundestags-Neuwahlen lässt
Schröder wissen, dass ihm der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im
Bundestag, Franz Müntefering, auf ausdrückliche Nachfrage nicht habe
garantieren können, dass die eigene Fraktion geschlossen hinter ihm
als Kanzler bis zum regulären Wahltermin stehe.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Büro Berlin

Telefon: 030/72626-2000


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