stern: Bundesbehörden wussten seit Herbst 2001 von möglichen US-Kriegsverbrechen in Gefängnis in Tuzla
Geschrieben am 24-10-2006 |
Hamburg (ots) - Die Bundesregierung wusste offenbar deutlich früher als bisher bekannt, dass US-Stellen bei ihrem Kampf gegen Terror Gefangene misshandelten und dabei auch Gefängnisse auf europäischem Boden benutzten. Wie das Hamburger Magazin stern in seiner neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, waren das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesnachrichtendienst (BND) bereits wenige Wochen nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 über mögliche Kriegsverbrechen in einem US-Gefängnis im bosnischen Tuzla informiert. Laut dem stern vorliegenden geheimen BND-Unterlagen erfuhren davon zwei BKA-Beamte und ein BND-Dolmetscher bei einem Besuch auf der amerikanischen "Eagle Base" in Tuzla. Dort, so die Unterlagen, hatten die Amerikaner einen 70 Jahre alten angeblichen Terrorverdächtigen so schwer geschlagen, "dass die bei der Verhaftung mit Gewehrkolben zugefügte Kopfwunde 20 Stiche benötigte". Der verantwortliche Amerikaner sei auf sein gewalttätiges Vorgehen "offensichtlich stolz" gewesen. Ein "Großteil" der damals "von US-Seite beschlagnahmten Dokumente" war - so die BND-Beschreibung - "extrem blutbeschmiert". Einer der beiden BKA-Männer setzte laut den Unterlagen das Vorgehen der Amerikaner mit serbischen Kriegsverbrechen gleich. Es sei das gleiche, "wofür in Den Haag Serben vor dem ICTY landen" - dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Nach Rücksprache mit dem Generalbundesanwalt reisten die drei deutschen Beamten damals umgehend wieder ab. Ursprünglich sollten sie bei der Befragung helfen und das "bei der Verhaftung beschlagnahmte Material" sichten. Über die Vorgänge in Tuzla wurden nach den dem stern vorliegenden Dokumenten neben dem BND und dem BKA auch das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ZNBw) informiert. Bisher hatte die Bundesregierung öffentlich den Eindruck erweckt, ihr seien zu der Frage von US-Geheimgefängnissen in Europa nur Medienberichte bekannt. BND und BKA lehnten gegenüber dem stern eine Stellungnahme zu den Vorgängen in Tuzla ab. Auch die Bundesregierung äußerte sich auf stern-Anfrage bis Redaktionsschluss am Montagabend nicht.
Originaltext: Gruner+Jahr, stern Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6329 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6329.rss2
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