LVZ: Gestutzter Bush
Geschrieben am 08-11-2006 |
Leipzig (ots) - Von Bernd Hilder Ein Kriegspräsident in der Defensive, auch in der Heimat: George Bush, das wird er selbst nicht bestreiten, ist der Hauptverantwortliche für die Niederlage seiner republikanischen Partei bei den Kongresswahlen. Die machte zwar jüngst durch Korruptions- und Sex-Skandale Schlagzeilen und verlor moralisch an Boden. Nichts aber beeinflusste das Ergebnis so sehr wie die Unfähigkeit der US-Regierung, die Lage im Irak zu befrieden. Dies setzte traditionelle Wahl-Mechanismen außer Kraft: Brummt die Wirtschaft, werden in den USA die Regierenden wiedergewählt. So betrachtet hätten bei einer Arbeitslosenquote von viereinhalb Prozent mehr Kreuzchen bei Bushs Partei landen müssen. Aber Innenpolitik interessierte wenig. Der Denkzettel kam aus Bagdad. Die politische Landkarte der USA ist neu gezeichnet, die Machtverhältnisse sind auf den Kopf gestellt. Mehr als die Hälfte der US-Gouverneure ist jetzt demokratisch. Das Repräsentantenhaus ist in demokratischer Hand - und der Senat vielleicht auch: In den letzen beiden Jahren seiner schicksalhaft mit dem Anti-Terror-Kampf und dem umstrittenen Irak-Krieg verbundenen Präsidentschaft wird Bush kleinere Brötchen backen müssen. Der Rücktritt von Verteidigungsminister Rumsfeld ist eine erste Konsequenz aus der Wahlniederlage, die dem Präsidenten aber nur kurzzeitig Entlastung bringen wird. Ohne auf die Demokraten zuzugehen, wird er keine Gesetzentwürfe durchbringen. Dies kann, muss aber nicht unbedingt Stillstand in der amerikanischen Politik bedeuten. Viele Präsidenten vor Bush mussten deutlich länger als er gegen eine Mehrheit in einem oder beiden Häusern des Kongresses regieren. Bestes Beispiel ist sein Vorgänger Clinton, der mit seiner Politik schnell einen republikanischen Erdrutsch-Sieg provozierte, aber trotzdem wiedergewählt wurde. Bush ist politisch eine lahme Ente. Aber weniger wegen der Kongresswahl als wegen des absehbaren Endes seiner Amtszeit, was automatisch einen Autoritätsverlust mit sich bringt. Die Wähler-Ohrfeige zeigt ihn jedoch zusätzlich flügellahm. Wird die US-Gesellschaft jetzt liberaler, weniger konservativ? Ein Stückweit gewiss. Aber einen liberalen, linken Durchmarsch würde es selbst dann nicht geben, wenn die Demokraten auch den Senat gewinnen würden. Viele demokratische Senatoren und Abgeordnete, besonders aus dem Süden, sind konservativ ausgerichtet, wollen vor ihrem Wahlvolk keinesfalls als unpatriotisch dastehen. So wie Bush auf die Demokraten zugehen muss, müssen die auch Kompromisse mit dem ungeliebten Präsidenten schließen. In der Irak-Politik werden sie Kurskorrekturen erzwingen, aber keinen radikalen Richtungswechsel. Wenn die neue Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, lautstark eine andere Irak-Politik fordert, fällt auf: Auch sie hat keinen konkreten Vorschlag. Mit einem überstürzten Abzug aus dem Irak ist auch nach Bushs Wahlschlappe nicht zu rechnen. Und Vorhersagen für die nächste Präsidentschaftswahl bleiben nichts als Kaffeesatz-Leserei. Denn von jetzt an werden die Demokraten stärker als bisher für Erfolge und Misserfolge in Haftung genommen. Das kann nach vorne losgehen, aber auch nach hinten.
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