Lausitzer Rundschau: Bundestag debattiert deutsche Einheit: Nüchterne Bestandsaufnahme
Geschrieben am 09-11-2006 |
Cottbus (ots) - Hätte jemand 1989 in der DDR behauptet, zu Beginn des nächsten Jahrhunderts werde eine Ostdeutsche Bundeskanzlerin sein, die dann sogar der Europäischen Union als Ratspräsidentin vorsteht - man hätte ihn für verrückt erklärt. Dass Unglaubliches wahr wurde, gehört zweifellos mit zur Bilanz nach 17 Jahren Mauerfall, über die der Bundestag gestern debattierte. Historische Glücksmomente sind allerdings nur ein Teil der deutsch-deutschen Realität. Noch immer ist der Arbeitsmarkt tief gespalten. Die Erwerbslosenquote im Osten ist doppelt so hoch wie im Westen. Auch das Wirtschaftswachstum zwischen Rügen und Thüringen lag in den letzten fünf Jahren im Schnitt bei nur einem Prozent. Von der einst viel beschworenen Angleichung der Lebensverhältnisse kann keine Rede sein. Das hat auch die Bundesregierung erkannt. Der politischen Gesundbeterei vergangener Jahre ist die nüchterne Bestandsaufnahme gewichen. Sie führt auch zu der Erkenntnis, dass der Osten kein kollektives Jammertal ist. Wo es zukunftsfähige Ansiedlungen gibt, wie etwa in Frankfurt (Oder) die Solar-Technik oder in Dresden die Chip-Industrie, entwickelt sich auch eine breit gefächerte Zuliefererbranche. So entstehen wirtschaftliche Einheiten, die sich im Ost-West-Vergleich nicht zu verstecken brauchen. Eine gezielte Förderung von Wachstumskernen, auf die man sich nach vielen Irrungen und Wirrungen sinnvoller Weise verständigt hat, bedeutet freilich eine Abschreibung von Gebieten ohne größeres Entwicklungspotenzial. Schließlich kann das Geld nicht zwei Mal ausgegeben werden. Dieser unbequemen Wahrheit werden sich nicht nur die betroffenen Menschen stellen müssen, sondern auch die Bundesregierung.
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