Südwest Presse: Kommentar zu Motassadeq
Geschrieben am 16-11-2006 |
Ulm (ots) - Am Ende wird der Fall Motassadeq drei Mal über die Bühne gegangen sein. Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof (BGH) haben sich die Urteile und deren Aufhebung wie Bälle zugespielt: 15 Jahre, 7 Jahre, nun werden es wohl wieder 15 Jahre - vielleicht auch etwas weniger. Entscheidend ist das nicht mehr. Für die Angehörigen der Opfer ist viel wichtiger, dass der BGH klargestellt hat: Was Mounir Al-Motassadeq getan hat, war Beihilfe zum Mord, nicht nur Mitschwimmen in einer terroristischen Vereinigung. Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Fragen kommen: "Warum nicht gleich?" Doch es gibt zwei Gründe, weshalb die juristische Aufarbeitung des 11. September 2001 in Deutschland bis gestern gedauert hat. Den einen haben die USA zu vertreten. Sie haben Beweismaterial nicht herausgerückt. So hatten die deutschen Richter mehr Arbeit, als nötig gewesen wäre. Der zweite Grund liegt im Rechtssystem. Es ist der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten." Deshalb muss Motassadeq nun auch nur für 246 Fälle geradestehen und nicht - wie ursprünglich angeklagt - für 3066 Opfer. Jene, die verlangen, kurzen Prozess zu machen, wird das nicht befriedigen. Doch diese Prinzipien dienen nicht nur dem Angeklagten, sondern auch dem Rechtsstaat als solchem. Es ist wichtig, sie hochzuhalten - gerade in Zeiten der Bedrohung geraten sie schnell in Vergessenheit.
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