LVZ: Parlamentarier von Union, FDP und Grünen fordert gemeinsam vor dem CDU-Parteitag Merkel auf, schon jetzt sichtbare Initiativen für eine zukünftige "Jamaika"-Koalition zu ergreifen
Geschrieben am 24-11-2006 |
Leipzig (ots) - Politiker von CDU, FDP und Grünen haben in einem gemeinsamen Appell die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, durch konkrete politische Vorbereitungen schon jetzt die Voraussetzungen für eine Jamaika-Koalition nach der nächsten Bundestagswahl zu schaffen.
Der Vorsitzende der Jungen Union und CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder, das FDP-Bundesvorstandsmitglied und Bundestagsabgeordnete Daniel Bahr sowie der hessische Grünen-Landeschef und Bundestagsabgeordnete Matthias Berninger betonten in einem gemeinsamen Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag-Ausgabe) angesichts des bevorstehenden CDU-Bundesparteitages: Nach der "Entzauberung" der großen Koalition sei ein Dreier-Bündnis aus Union, FDP und Grünen die "seriösere Alternative". Die Basis für eine solche Koalition könnten das Prinzip der Nachhaltigkeit, das der sozialen Grundsicherung und Schritte zu mehr Eigenverantwortlichkeit sein.
Die große Koalition stehe für kein Projekt, beklagte Mißfelder. "Direkt nach der Bundestagswahl war ,Jamaika' nicht machbar. Aber nach einem Jahr großer Koalition wird es höchste Zeit, an die Zukunft zu denken", forderte der Unions-Politiker. Die Bevölkerung spüre, die große Koalition sei "nicht getragen von gemeinsamer Reform- und Veränderungsbereitschaft", meinte Mißfelder. "Ritualhaft wird Woche für Woche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht. Deshalb ist der Abwehrreflex innerhalb und außerhalb unserer Partei weg, wenn jetzt jemand mit ,Jamaika' daherkommt."
Er sei direkt nach der Bundestagswahl "skeptisch" gewesen, ob "Jamaika" wirklich funktionieren könnte, stellte der Liberale Bahr fest. "Aber nach zwölf Monaten großer Koalition muss ich sagen: Es gibt zwischen den potenziellen Partnern mehr und mehr Kontakte. ,Jamaika' wäre in jedem Fall die bessere Konstellation mit größerer Überzeugungskraft." "Jamaika" sei nach einem Jahr großer Koalition "kein Schreckgespenst mehr".
Der Grünen-Politiker Berninger verwies darauf, dass Politik und Bürger die schlechten Erfahrungen mit der großen Koalition gebraucht hätten, um sich jetzt mit "Jamaika" zu beschäftigen. "Im Herbst 2005 hat die große Mehrheit der Bevölkerung geglaubt, man brauche eine große Koalition. Erst seit das durch den Praxisbeweis geplatzt ist, gewinnen Alternativen an Attraktivität. Die Entzauberung der großen Koalition war nötig, um sich seriös mit Alternativen zu beschäftigen", so Berninger.
An seine eigene Partei gerichtet meinte Berninger, eine "Jamaika"-Koalitionsalternative gebe es nicht im Selbstlauf. "Grüne und FDP müssen anders miteinander umgehen. Ohne Entkrampfung können wir nicht gemeinsam regieren." Geholfen habe den Grünen dabei die Absage der Berliner SPD an die Grünen als Koalitionspartner nach den Abgeordnetenhauswahlen. "Wenn die SPD so stark ist, dass sie aus verschiedenen Partnern wählen kann, wird sie sich nicht für die Grünen entscheiden." Das sei vielen bei den Grünen noch nicht klar. "Das rot-grüne Lager darf für uns kein Endlager werden."
Als ein wichtiges inhaltliches Fundament für eine Dreier-Koalition aus Union, FDP und Grünen benannte Mißfelder die Frage der zukünftigen sozialen Sicherung. "Ich stelle mit Erschrecken nach einem Jahr großer Koalition fest, dass der SPD die Interessen der zukünftigen Generation völlig egal sind. Bei allen Fragen der Zukunft der sozialen Sicherung betreibt die SPD einen Verweigerungskurs." Er finde deshalb "die Debatte über ein Jamaika-Bündnis zukunftsorientierter" als den Unions-Streit über eine verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes I. "Die Generationengerechtigkeit, eine moderne Umweltpolitik und in erster Linie die Reform der sozialen Sicherungssysteme sind Politikfelder, die eine Drei-Parteien-Konstellation mit Schwarz und Grün und Gelb sicherlich besser gestalten würde als die große Koalition. Das Projekt ,Jamaika', obwohl es erst entsteht, vermittelt jetzt schon mehr Attraktivität als Rot-Grün oder die große Koalition", betonte Mißfelder. Die SPD hadere mit ihrer eigenen Vergangenheit und fürchte die Linkspartei. "Die sind viel zu verängstigt, um sich auf eine mutige und generationengerechte Sozialreform einzulassen. Deshalb hat die SPD bei der Gesundheitsreform Reformverweigerung betrieben."
Es würde Themen geben, bei denen man zu dritt sicherlich keine Übereinstimmung fände, stellte der FDP-Politiker Bahr fest. Das müsse man vorher sagen. Hauptsache es blieben genügend gemeinsame Schwerpunkte. "Das Prinzip der Nachhaltigkeit wäre ein zentrales Moment für ,Jamaika'. In der Analyse wären wir uns rasch einig. Wir müssen Ausgaben reduzieren, anstatt immer zuerst nach Steuererhöhung zu rufen." Zwischen den drei potentiellen Koalitionspartnern bestehe Einigkeit darin, dass die Eigenvorsorge zu verstärken sei - neben einer allgemeinen Grundsicherung, die die FDP Bürgergeld nenne.
Das von Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus für den CDU-Parteitag präzisierte Prinzip der Grundsicherung könnte, nach Auffassung aller drei Politiker, eine sozialpolitische Jamaika-Basis werden.
"Wir brauchen mehr Althaus und weniger Rüttgers", meinte Berninger. Althaus habe einen "sehr mutigen Grundsicherungsvorschlag gemacht", der wesentlich von Mitgliedern des hessischen Grünen-Landesverbandes entwickelt sei. "Man sieht: Es gibt erste konzeptionelle Brücken." Grundprinzip einer neuen Sozialpolitik müsse sein, dass diese Gesellschaft keinen zurücklasse. "Es ist ein Armutszeugnis, aber typisch konservativ, dass SPD Generalsekretär Heil solche konstruktiven Vorschläge einfach vom Tisch zu wischen versucht."
Für Bahr beweise die SPD ständig neu eine falsche Einstellung zur Sozialpolitik. "Die Grundidee von Althaus, oder die unseres Bürgergeldes, ist es, alle Sozialtransfers zusammenzufassen, um flexibler und direkter jene zu erreichen, die bedürftig sind und nicht allein gelassen werden dürfen. Aber die SPD macht Sozialpolitik über immer neue Sozialtransfers." Deutschland brauche eine aktivierende Sozialpolitik, keine Alimentierung.
Die CDU-Vorsitzende müsse schon jetzt die Weichen in Richtung ausstieg aus der großen Koalition und hin zu "Jamaika" stellen, betonten die drei Politiker. Dann sei sie die geeignetste Kanzlerin für ein solches Dreieier-Bündnis.
"Angela Merkel hat den großen Vorteil, dass sie weniger ideologische Ressentiments hervorruft, auch in anderen gesellschaftspolitischen Lagern, als das bei anderen der Fall wäre", meinte Mißfelder. Merkel werde auch nach der nächsten Bundestagswahl den Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben und zugleich klar, dass 2009 Schluss sein müsse mit der großen Koalition. "Also hat sie die beste Chance, ,Jamaika' voranzutreiben. Dazu darf man aber nicht erst die Wahlen abwarten, um dann hinterher zu sagen: So, jetzt machen wir ,Jamaika', weil wir als Volkspartei doch keine 40 Prozent erreicht haben." Mit dieser Vorbereitung müsse die Union schon vorher beginnen. "Dazu gehört auch, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Wichtig ist, dass es Bewegung in den großen Reformbereichen gibt. Dafür kann man auch eine grüne Kröte oder ein schwarzes Lakritz oder ein gelbes Hörnchen schlucken", so Mißfelder.
Für Berninger steht fest: "Um Kanzlerin von ,Jamaika' zu werden, muss sich Frau Merkel gegen Kurt Beck durchsetzen. Das ist die Grundvoraussetzung. Wenn sie das schafft, ist sie für ,Jamaika' das mit Abstand beste Angebot der Union."
Die Kanzlerfrage müsse die CDU beantworten, meinte der FDP-Politiker Bahr. Er habe aber bisher den Eindruck, dass der CDU eine Exit-Strategie aus dieser großen Koalition fehle. "Dagegen schwimmt sich Herr Beck sehr stark frei. Die SPD treibt die Union vor sich her. Wenn Frau Merkel nicht schnell eine Exit-Strategie entwickelt, dann wird sich die Union, ganz im Sinn von Jürgen Rüttgers, weiter sozialdemokratisieren und die Unterschiede zwischen Union und SPD werden immer geringer werden", meinte der Liberale. Wenn Frau Merkel hier nicht einschreite "verliert die Union deutlich an Wert für uns".
Als amtierende Kanzlerin habe Angela Merkel natürlich die Verpflichtung, diese große Koalition bis 2009 zu repräsentieren, sagte der Vorsitzende der Jungen Union. Aber: "Sie hat, als CDU-Vorsitzende, die Verantwortung, an die Zukunft zu denken, denn die SPD verhindert grundlegende Sozialreformen. Also muss nach 2009 etwas anderes her. Folglich müssen sich die Kanzlerin und die Führung der Union jetzt darüber Gedanken machen, was kann nach 2009 kommen."
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Leipziger Volkszeitung Büro Berlin Telefon: 030/72626-2000
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