LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Arbeitslosenzahlen
Geschrieben am 30-11-2006 |
Leipzig (ots) - Die Botschaft passt schön in die Weihnachtszeit. Weil es eine frohe ist. Die Arbeitslosigkeit ist im November zurückgegangen und erstmals seit vier Jahren unter die Vier-Millionen-Marke gerutscht. Damit hatte niemand gerechnet. Selbst die Bundesregierung nicht. Weil in den letzten Monaten eines Jahres die Zahl der Jobsuchenden in der Regel zunimmt. Aber es gibt auch stets Ausnahmen von Regeln. Die Novemberzahlen 2006 aus Nürnberg sind so eine. Das Wetter, das mit seinen milden Temperaturen Kapriolen schlägt, ist für den Rückgang mit verantwortlich, weil es deshalb am Bau noch gut läuft. Die robuste Weltwirtschaft mit einer entspannten internationalen Lage und der im Vergleich zum Sommer relativ niedrige Ölpreis tragen das ihre dazu bei. Ganz zu schweigen von der aufkeimenden Konsumlaune der Bundesbürger. Kurzum, die Rahmenbedingungen für eine Belebung auf dem Arbeitsmarkt sind gut. Das besonders Erfreuliche: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt wieder. Für eine prosperierende Volkswirtschaft ist das ein wesentliches, vielleicht sogar das wesentliche Merkmal. Denn dadurch werden die sozialen Sicherungssysteme entlastet, was bei einem anhaltenden Aufschwung zu sinkenden Beiträgen führt und die Arbeit per se billiger macht. Wachstum schafft also Jobs, egal wer dafür verantwortlich ist. Wenn angesichts der positiven Rahmenbedingungen jetzt aber Vertreter der Bundesregierung die sinkende Arbeitslosenquote als Erfolg für sich reklamieren, kann auf die fast schon reflexartige Reaktion nur mit einem reflexartigen Achselzucken reagiert werden. Niemand nimmt das inzwischen mehr ernst. Egal, ob die Kanzlerin Merkel oder der Kanzler Schröder heißt. Denn an den strukturell bedingten Ursachen hat sich nichts geändert. Noch immer ist jeder zweite Jobsuchende ein Langzeitarbeitsloser. Noch immer trifft es besonders die Jungen. Und noch immer sind die Lohnnebenkosten im internationalen Vergleich zu hoch. An diesen Fakten kann eigentlich auch in Berlin niemand vorbei. Wohl auch deshalb will Arbeitsminister Franz Müntefering noch in diesem Jahr weitere Initiativen zur Stärkung des dritten Arbeitsmarktes vorlegen. Zumal sich schon heute abzeichnet, dass das Jahr 2007 arbeitsmarktpolitisch ein schwieriges wird. Die Mehrwertsteuererhöhung und keine wesentlichen Entlastungen bei den Lohnnebenkosten werden positive Beschäftigungseffekte abschwächen, wenn nicht gar umkehren. Dieses Damoklesschwert schwebt über Berlin. Selbst wenn das Bruttoinlandprodukt ähnlich stark wie in diesem Jahr zulegen würde, ist das Problem Arbeitslosigkeit längst nicht gelöst. Bei Gesundheit, Rente und Pflege besteht gewaltiger Reformbedarf. Hier hat Schwarz-Rot bislang wenig Überzeugendes auf den Weg gebracht. Vernünftige Reformansätze, die mehr auf eine Kapitaldeckung oder Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme zielen, sind des Friedens zuliebe eingemottet. Das ist aber zu wenig. Eine Bundesregierung mit einer breiten Mehrheit im Parlament muss Impulse setzen. Daran wird sie gemessen. Unter dem Strich ist die Arbeitslosigkeit das zentrale Thema, das die Koalitionäre meistern müssen.
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