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WAZ: Bundesweiter Ärzteprotest: Mehr Honorar - nur wovon? - Kommentar von Stefan Schulte

Geschrieben am 04-12-2006

Essen (ots) - Im Gesundheitswesen sieht sich die Politik mächtigen
Lobbyverbänden gegenüber, die angesichts knapper Kassen berechtigte
Sorgen um ihren Anteil am nicht minder mächtigen Kuchen (230
Milliarden) haben. Dass sie für ihre halbgare, bürokratie-freundliche
Finanzreform namens Gesundheitsfonds Prügel von allen Seiten
einsteckt, sollte die Koalition daher nicht wundern.

Der Ärztefrust aber sitzt tiefer und folgt der Grundthese, das
Gesundheitswesen sei unterfinanziert. Diese Meinung müsste man
teilen, nähme man allein das medizinisch Mögliche und Erwünschte zum
Maßstab. Doch in einem System von dieser volkswirtschaftlichen
Relevanz gelten noch andere Größen. Etwa die der Beiträge, die als
Lohnnebenkosten auf Wachstum und Beschäftigung wirken. Richtigerweise
kritisieren die Ärzte die Reform auch dafür, dass sie steigende
Beiträge mitbringt. Nur wie passt dazu die Forderung nach mehr Geld?
Stabile Beitragssätze und höhere Ärztebezüge - diese Gleichung geht
nicht auf.

Sie ginge vielleicht auf, würden Beiträge nicht nur auf Löhne,
sondern auch auf Zinsen und Mieten erhoben, wie Ärztepräsident Hoppe
gestern just gefordert hat. Doch ist dies nicht das wichtigste
Element der Bürgerversicherung, die Hoppe ansonsten so
leidenschaftlich bekämpft? Sich eine zentrale Forderung der
Ärzte-Unperson Ulla Schmidt auf die Fahnen zu schreiben, trägt schon
groteske Züge. Bis auf Schmidt übten sich die Politiker gestern in
Verständnis-Adressen an die weißen Demonstranten. Das klang schön
diplomatisch, war aber plumpester Opportunismus, denn sie vergaßen zu
erwähnen, wo das Geld für steigende Honorare herkommen soll.

Dabei haben viele Ärzte Grund zu klagen. Wer eine volle Praxis
hat, bekommt von der Kassenärztlichen Vereinigung nur noch zwei
Drittel seiner Leistungen bezahlt. Dass die Abrechnung von Punkten
auf Euro umgestellt wird, kann daran nichts ändern. Wenn die Ärzte
mehr Geld verdienen, die Beiträge aber nicht noch mehr steigen
sollen, muss an anderer Stelle gespart werden. Zum Beispiel an
Medikamenten. Hier tragen die Ärzte freilich Mitverantwortung.

Die Reform bleibt ein Ärgernis für fast alle Betroffenen. Am
meisten trifft es die Beitragszahler. Auch Apotheker und Kliniken
müssen bluten. Der für die Ärzte heikelste Punkt ist die Möglichkeit
der Kassen, Einzelverträge abzuschließen. Die Gefahr ist, dass die
Kassen dieses Instrument für Wettbewerb nicht um die beste, sondern
um die billigste Behandlung nutzen. Diese Sorge sollten Sie ernst
nehmen, Frau Schmidt.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de


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