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WAZ: Heftiger Streit in der Koalition: Die Gesundheit wird zur Nebensache - Kommentar von Christina Wandt

Geschrieben am 17-12-2006

Essen (ots) - Das Wort Gesundheitsreform löst bei den meisten
Menschen nur noch Verdruss aus, was bedauerlich ist - und wenig
überraschend.

Zuletzt nämlich musste man den Eindruck gewinnen, bei diesem
Vorhaben gehe es vorrangig um die politische Zukunft von Ulla
Schmidt, dann um den Machterhalt der Kanzlerin sowie um das
Gesellenstück des neuen SPD-Chefs Kurt Beck. Alle Drei einte der
Wille, die Reform notfalls mit Gewalt als Beweismittel für die
Regierungsfähigkeit der Großen Koalition herzurichten. Das war umso
schwerer, als es neben den Ansätzen von SPD und CDU auch die
Ansichten eines Edmund Stoiber zu berücksichtigen galt. Am Ende einer
langen Nacht aber wollten uns die genannten Politiker glauben machen,
das Jahrhundertwerk sei vollbracht, oder zumindest auf dem Weg.

Dieser Weg wurde von Anfang an vom Grummeln Stoibers begleitet,
der nun offen droht, Bayern könnte die Reform ablehnen.
CSU-Generalsekretär Markus Söder bezeichnete die Vorschläge von Ulla
Schmidt als "totale Bankrotterklärung", worauf SPD-Generalsekretär
Hubertus Heil der CSU zurief, sie müsse sich mal entscheiden, ob sie
regieren oder rumpöbeln wolle. Und während nun auch Hessen und
Baden-Württemberg ihren Unmut artikulieren, verkündet Angela Merkel
ungerührt, sie wolle gemeinsam mit den Ländern "zielgerichtet und
besonnen" vorgehen. Bitte? Die Saalschlacht ist in vollem Gange, und
die Kanzlerin ruft "Vertragt Euch, Kinder!"

Wir wollen gern an ein Weihnachtswunder glauben, doch so einfach
wird es wohl nicht laufen. Denn es geht bei der Gesundheitsreform
eben nicht zuvörderst um den Erhalt der Großen Koalition, es geht um
den Umbau eines sozialen Sicherungssystems, das für alle Bürger
existenzielle Bedeutung hat. Es geht darum, ob jeder Versicherte die
beste Therapie erhält, ob Zahnersatz ein Luxusgut wird, ob gar der
Geldbeutel über Leben und Tod entscheidet.
Niemand kann sich wünschen, dass solche Fragen von übermüdeten
Politikern in Nachtsitzungen beantwortet werden oder dass bei ihrer
Beantwortung das politische Überleben einer Ministerin eine
wichtigere Rolle spielt als das Überleben schwerkranker Patienten. Es
wird also nicht mit ein paar Reparaturarbeiten am Gesetzestext und
einem anschließenden Fototermin der versöhnten Streithähne getan
sein. Man wird den Bürgern sehr genau erklären müssen, warum sie
diesem Gesetzeswerk noch vertrauen sollen. Fehlen dafür die
Argumente, muss man wohl einen neuen Anlauf für eine überzeugende
Reform wagen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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