Börsen-Zeitung: Radikale Energiepolitik, Kommentar zur Brüsseler Forderung die Energiekonzerne zu entflechten von Brunfrid Rudnick
Geschrieben am 10-01-2007 |
Frankfurt (ots) - Mit dem Versprechen, die Strompreise senken zu wollen, finden die absurdesten Vorschläge für eine neue Energiestrategie den Beifall einer breiten Öffentlichkeit. Es darf auch in Brüssel eine radikale industrielle Revolution des europäischen Energiemarktes ausgerufen werden, mit der die Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Steuerung auf den Kopf gestellt würden. Der EU-Kommissionspräsident Barroso und die Wettbewerbskommissarin Kroes wollen mit einem Paukenschlag eine neue Ära in der europäischen Energiepolitik einläuten. Sie wollen die großen Energiekonzerne entflechten und sie zwingen, ihre Netze zu verkaufen.
Das Brüsseler Strategiepapier muss ernst genommen werden, ganz im Gegensatz zu dem Verlangen des hessischen Wirtschaftsministers Alois Rhiel nach einem Zwangsverkauf der Kraftwerke. Legt man beide "Modelle" nebeneinander, so würde es übermorgen nur noch virtuelle Energiekonzerne geben.
Dass der Wettbewerb auf Europas Energiemärkten nicht vollkommen ist, sei unbestritten. Und wenn Kroes grobe Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht festgestellt hat, dann soll sie diesen Missbrauch unnachsichtig abstellen. Es wird auch zu wenig in die Netze investiert, aber nicht aus Eigennutz der Konzerne und zum Schaden des Verbrauchers, wie Kroes meint, sondern weil Genehmigungsverfahren zu lange dauern. Die Drohung mit der Entflechtung löst zwangsläufig Attentismus aus, denn wer investiert schon in ein vor der Enteignung stehendes Netz.
Es ist ein frommer Wunsch zu glauben, allein der Zwangsverkauf der Netze würde den Wettbewerb anfachen und die Preise nach unten treiben. Denn gleichgültig, wer Eigentümer wird, der Betrieb eines Netzes bleibt ein natürliches Monopol, das der staatlichen Regulierung bedarf. Der politische Aktionismus in Brüssel kommt auf jeden Fall zur Unzeit.
Auf den Energiemärkten wird in Zeitspannen von Jahrzehnten gedacht und gehandelt. Entsprechend lang sind die Reaktionszeiten. Das gilt erst recht für die Entfaltung von Wettbewerbskräften, die aber durchaus schon ihre Wirkung zeigen. Das Recht auf Eigentum darf nicht zugunsten eines völlig ungewissen Impulses für mehr Wettbewerb ausgehebelt werden. Ungeduldiger Populismus verträgt sich nicht mit einer effizienten Energiepolitik.
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