WAZ: Weshalb der Rücktritt schwer fällt: Zum Beispiel Stoiber - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 12-01-2007 |
Essen (ots) - Edmund Stoiber ist nicht der erste Groß-Politiker, der an der Kunst des eigenen Abgangs scheitert. Vor ihm demonstrierten dies Gerhard Schröder (als er polternd nicht begriff, abgewählt worden zu sein), Helmut Kohl (den Merkel via F.A.Z aus dem CDU-Vorsitz schubsen musste), Helmut Schmidt (der zur eigenen Erhebung der FDP einen Verrat anheften wollte), Willy Brandt (der lange Wehners Eiseskälte nicht verstehen wollte), Kurt Georg Kiesinger (der am Wahlabend 1969 als Sieger selig schlafen ging, um am nächsten Morgen als schlechter Verlierer aufzuwachen), schließlich Konrad Adenauer, als er zu guter Letzt zur Machtverlängerung gar noch Bundespräsident werden wollte. Die Mächtigen und ihr Amts-Ende: Weshalb mündet das so oft in eine Tragödie?
Wider die Erfahrung unterliegen die meisten dem Irrtum, ihre eigene Nachfolge noch selbst regeln zu können. Das glaubt auch Stoiber. Dabei ist er, durch eigenes kommunikatives Fehlverhalten, schon jetzt nicht mehr Herr seiner selbst. Auch Kohl glaubte lange, seinen Nachfolger selber einsetzen zu können - oder hat er da mit Wolfgang Schäuble, dem er mehrfach versprach, zu seinen Gunsten abtreten zu wollen, in Wahrheit nur gespielt?
Natürlich ist dies eine alte Weisheit: Politik ist eine Droge. Sie schafft sich über die roten Teppiche und das selbst ausgesuchte Umfeld der Bewunderer ihre eigenen Abhängigkeiten. Weshalb sollte jemand freiwillig gehen, der jeden Tag von wirklich intelligenten Menschen erzählt bekommt, warum die Chose ohne ihn auf keinen Fall läuft? Der, kaum in der Öffentlichkeit, meistens sogleich Beifall bekommt, also ständige Bestätigung erfährt, zur Zufriedenheit auch von Frau und Familie tagtäglich sein Selbstwertgefühl päppeln kann? Der selbst noch die Niederlage als Bestätigung seiner Größe erfährt, weil sie öffentlich dokumentiert wird? Weswegen sollte er erkennen wollen, dass 90 Prozent des Beifalls inszeniert sind, die wahrgenommene Realität mithin nur Sinnestäuschung ist?
Wenn Politik eine solche Droge ist, dann kann man sich Politiker wohl vorstellen als: Junkies im Dauerrausch. Oft ist ihnen über die Jahre in dieser Kunstwelt die Haltung verbogen worden. Viele meinen, sie seien wichtig als Person und darum unersetzbar. Dabei ist unersetzbar nur das Amt. Weshalb sonst glaubt Stoiber so reden zu können, als seien Bayern und er ein und dasselbe? Ein Gutes steckt auch in diesem Schlechten: Er kam noch stets, der erste Tag ohne die Macht. Es ist der Feiertag, an dem die Demokratie über die Verblendung siegt.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: (0201) 804-0 zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
48519
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zur Gesundheitsreform Halle (ots) - Das Ausmaß des politischen Versagens wird erkennbar, wenn man die Reform an ihren Zielen misst. "Ein leistungsfähiges, solidarisches und demografiefestes Gesundheitswesen" sollte installiert, ein "fairer Wettbewerb" zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen geschaffen, die "nachhaltige Finanzierung" des Systems sicher gestellt werden. Eines entsprechenden Ergebnisses rühmt sich die Koalition dann doch nicht. Der größte Erfolg ist jetzt die "Versicherungspflicht für alle" (SPD) und der "Erhalt der Privaten Krankenversicherung" mehr...
- Lausitzer Rundschau: Einigung im Gesundheitsstreit: Torso einer Reform Cottbus (ots) - Die Gesundheitsreform sollte zum Meisterstück der Großen Koalition werden. Doch in den Verhandlungen stellte sich schnell heraus, dass sie daran zerbrechen könnte. Zu unversöhnlich die konträren Konzepte von Bürgerversicherung und Kopfpauschale. Zu groß der Widerstand diverser Lobby-Gruppen, die sich nirgendwo so zahlreich tummeln wie in der Gesundheitsindustrie. So ging es am Ende nur noch um politische Gesichtswahrung und darum, einen wie auch immer gearteten Kompromiss über die Ziellinie zu hieven. Das Ergebnis bleibt mehr...
- Lausitzer Rundschau: Regierung legt Haushaltsbilanz vor: Peer im Glück Cottbus (ots) - Hans Eichel wird es voller Neid beobachten. Bei ihm uferten die Haushalte aus und Deutschland stand ständig am Pranger des EU-Defizitverfahrens, wie sehr er sich auch mühte. Seinem Nachfolger Peer Steinbrück hingegen fallen die Steuermilliarden nur so in den Schoß und er muss sich dabei nicht einmal als Rotstiftschwinger unbeliebt machen. So ungerecht ist Politik. Glücklicherweise hat Steinbrück nicht versucht, den Erfolg auf sich zu münzen, glücklicherweise ist er Realist geblieben. Wenn überhaupt ein Zusammenhang der mehr...
- LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zur Gesundheitsreform - Leipzig (ots) - Von Maja Zehrt. Für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist es - mal wieder - ein wichtiger Durchbruch. Für SPD-Chef Kurt Beck sogar ein endgültiger Durchbruch. Doch was ist die Gesundheitsreform für die Bürger? Zunächst: Komplett unverständlich. Fast 80 Prozent der Deutschen, quer durch alle Parteien und Schichten, haben keinen Schimmer, was die Regierung in ihren nächtlichen Marathonsitzungen ausgebrütet hat. Allerdings schwant einigen Versicherten, dass die Reform zunächst keine Verbesserung für sie bringt: Die mehr...
- Rheinische Post: Ulla Schmidt freut sich zu früh Düsseldorf (ots) - Von Stefan Reker Ob man sich freuen kann, wenn der Gesundheitsreform-Kompromiss der großen Koalition eines Tages tatsächlich als Gesetz beschlossen wird, das sei dahingestellt. Doch selbst diejenigen, die diese Reform befürworten, sollten sich nicht zu früh freuen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sprach gestern nach einer neuerlichen Nachtsitzung der Koalitions-Experten zwar von einem Durchbruch. Aber das haben die Koalitions-Oberen schon zwei Mal verkündet - nach nächtlichen Verhandlungen im Juli und September mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|