Lausitzer Rundschau: Einigung im Gesundheitsstreit: Torso einer Reform
Geschrieben am 12-01-2007 |
Cottbus (ots) - Die Gesundheitsreform sollte zum Meisterstück der Großen Koalition werden. Doch in den Verhandlungen stellte sich schnell heraus, dass sie daran zerbrechen könnte. Zu unversöhnlich die konträren Konzepte von Bürgerversicherung und Kopfpauschale. Zu groß der Widerstand diverser Lobby-Gruppen, die sich nirgendwo so zahlreich tummeln wie in der Gesundheitsindustrie. So ging es am Ende nur noch um politische Gesichtswahrung und darum, einen wie auch immer gearteten Kompromiss über die Ziellinie zu hieven. Das Ergebnis bleibt nicht nur hinter den hochtrabenden Ankündigungen zu Verhandlungsbeginn zurück. Es schmälert auch noch die wenigen positiven Ansätze, die während der Verhandlungen abgemacht schienen. Selten mündete ein politisches Großvorhaben so in eine Blamage. Der Anspruch an eine Gesundheitsreform ist im Grunde genommen simpel. Sie soll uferlose Kosten für Ärzte, Kliniken und Medikamente begrenzen. Sie soll für mehr Transparenz im System sorgen. Und sie soll eine nachhaltige Finanzierungsgrundlage bieten, um der älter werdenden Gesellschaft Rechnung zu tragen. Kein Kriterium davon ist zufriedenstellend erfüllt. Schlimmer noch: Die Reform beginnt mit einer historisch beispiellosen Erhöhung der Kassenbeiträge. Und wer wie Ulla Schmidt behauptet, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, sucht die Bürger schlicht für dumm zu verkaufen. Allein die Tatsache, dass der Steuerzuschuss mit einem politischen Federstrich gedrosselt wurde, statt stärker zu wachsen wie einst avisiert, spricht Bände. Vielleicht wäre das sogar verzeihlich, hätten Union und SPD nicht in letzter Minute noch im Strukturteil der Reform vor den Interessenverbänden kapituliert. Erstes Beispiel: Eigentlich sollten die Apotheker mit 500 Millionen Euro zum Sparen beitragen. Durch eine ursprünglich geplante Abschaffung der starren Preise für Medikamente, hätten sie Spielraum bei der Preisgestaltung bekommen, was vor allem den Patienten nutzt. Nun bleibt im Prinzip alles beim Alten. Zweites Beispiel: Auch dem Kartell der Ärzte hat sich Schwarz-Rot gebeugt. Die geplante Umstellung der ärztlichen Vergütung auf Fallpauschalen wird um drei Jahre verschoben. Von der Maßnahme erhoffen sich die Befürworter Kosteneinsparungen, weil etwa die Behandlung eines Beinbruchs nur noch mit einem Festbetrag bezahlt würde. Heute werden dafür zahlreiche Einzelleistungen abgerechnet. Auch die Mediziner in Ballungsgebieten brauchen sich nicht mehr um ihr Einkommen zu sorgen. Geplante Abzüge vom Honorar, um ihre Präsenz in überversorgten Regionen einzudämmen, wurden wieder gestrichen. Umgekehrt winken Ärzten in unterversorgten Landesteilen Zuschläge, was für sich genommen löblich ist, aber unter dem Strich die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen weiter erhöht. Dafür haben - drittes Beispiel - die Privatkassen ganze Lobby-Arbeit geleistet. Die nun ausgehandelte Verkomplizierung der Zugangsbedingungen für den geplanten Basistarif kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der raue Wettbewerb eher als laues Lüftchen bei den Privatkassen Einzug hält. Die SPD sucht dieses Einknicken mit der Freude über eine verabredete Versicherungspflicht zu übertönen. Doch der davon betroffene Personenkreis bildet hierzulande lediglich eine Randgruppe. Im Kern ist es nicht gelungen, die seltsamen Schranken zwischen gesetzlicher und privater Versicherung durchlässiger zu machen. So rechtfertigt der Verhandlungsmarathon auch nicht annährend den Nutzen des Unterfangens. Der einzige Lichtblick besteht darin, dass sich ein unwürdiges politisches Gezerre endlich dem Ende zuneigt. Dazu hätte man die Gesundheitsreform freilich auch ganz lassen können.
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