LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Wahlen in der Ukraine
Geschrieben am 27-03-2006 |
Leipzig (ots) - In Demokratien sind Regierungsämter auf Zeit geborgte Macht. Wer sie nicht zur Zufriedenheit seiner Wähler nutzt, muss sie zurück geben. Der Ausgang der Parlamentswahlen in der Ukraine ist ein Lehrstück, dass auch Heldenbonus nicht vor Wählerstrafe schützt. Die Zeit, da Präsident Viktor Juschtschenko, der Hoffnungsträger aus den Tagen der orangenen Revolution, allein mit Versprechungen Massen mobilisieren konnte, ist vorbei. Es zählt die Bilanz. Die aber liest sich wie ein Kompendium des Versagens: Blühende Korruption, steigende Preise, dramatisch gesunkenes Wirtschaftswachstum und falsche Kompromisse mit falschen politischen Freunden - mit derartigen Ergebnissen lassen sich nunmal keine Wahlen gewinnen. Womit aber dann? Dass mit Viktor Janukowitsch ein ehemaliger Nutznießer notorischen Wahlbetrugs und Favorit des russischen Präsidenten Putin die meisten Stimmen erhält, legt nahe, dass die Mehrheit der Ukrainer ihr Heil im Reformstopp und Moskauhörigkeit sieht. Weit gefehlt. Es war nur einfach falsch zu glauben, die Probleme der Ukraine würden sich automatisch proportional zur politischen Distanz gegenüber Moskau verringern. Im Gasstreit mit Russland zeigte sich, dass Emanzipation ihren Preis hat. Juschtschenko verheißt seinem Volk überdies den Weg in die Europäische Union, ohne sich in Brüssel rückzuversichern. Dabei verspricht sich ein Großteil der Ukrainer mehr von einer Kooperation mit Russland und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten als von einer schmerzhaften Integration nach EU-Kriterien. Auch der vom Präsidenten avisierte Nato-Beitritt stößt in der Bevölkerung auf Widerspruch. Warum auch sollte sich die Ukraine für die Sicherheitsbelange des Westens verpflichten lassen, ohne an dessen Markt teilhaben zu dürfen? Die Korrektur dieses Kurses wird Juschtschenko sehr viel abverlangen - nichts weniger als ein Bündnis mit der von ihm einst des Amtes enthobenen Regierungschefin Julia Timoschenko. Nur die sich als ukrainische Jean d'Arc gebende Oppositionsführerin vermag dem orangenen Block eine parlamentarische Mehrheit zu verschaffen. Damit zeichnet sich eine Neuauflage des Parteienbündnisses ab, dass 2004 die Annullierung der gefälschten Wahlen durchsetzte. Mit einem entscheidenden Unterschied freilich: Diesmal sitzt Timoschenko am längeren Hebel. Sie kann nicht nur die Bedingungen der Koalitionsbildung diktieren, deren wichtigste heißt: Ich selbst werde Kabinettschefin. Die mit der Wahl in Kraft getretene parlamentarische Reform spricht dem Amt des Regierungschefs zudem mehr Macht zu als bisher - auf Kosten des Präsidenten. Ehrgeizig und ambitioniert wie Timoschenko ist, wird sie sich diese Chance wohl nicht entgehen lassen. Zu befürchten bleibt allerdings, dass im Gerangel der persönlichen Befindlichkeiten die eigentlichen Aufgaben auf der Strecke bleiben: eine Reform der Justiz, die Trennung von Wirtschaft und Politik und die Einbindung des russlandnahen östlichen Teils des Landes. Misslingt auch der neue Ansatz, dann besteht die Gefahr eines nachhaltigen Rückfalls.
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