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WAZ: Hartz und der "Deal" vor Gericht: Ein Urteil à la carte - Leitartikel von Ulf Meinke

Geschrieben am 25-01-2007

Essen (ots) - Das Urteil der öffentlichen Meinung dürfte Peter
Hartz härter getroffen haben als die juristische Strafe. In gewisser
Weise hatte der Hartz-Prozess längst begonnen, als die offizielle
Anklage noch weit entfernt war. Und doch: Selbst nach dem Urteil des
Landgerichts Braunschweig ist die Akte Hartz noch nicht geschlossen.
Denn die Bewährungsstrafe dürfte abermals eine Debatte anstoßen,
diesmal über das Für und Wider so genannter "verfahrensbeendender
Absprachen", die selbst Juristen als "Deals" bezeichnen.

Mit dem Mannesmann-Verfahren und dem Hartz-Prozess sind es
bezeichnenderweise zwei Wirtschaftsprozesse, die politische
Diskussionen über einen vermeintlichen Handel mit der Gerechtigkeit
entfacht haben. Peter Hartz muss nicht ins Gefängnis, Josef Ackermann
gilt juristisch als unschuldig. Was, werden sich viele Menschen
fragen, muss man denn noch tun, damit Gerichte "im Namen des Volkes"
Freiheitsstrafen verhängen? Wird bei Bossen und Bürgern etwa mit
zweierlei Maß geurteilt? Gibt es gar ein Reichenrecht, das es gut
betuchten Prominenten ermöglicht, sich auch gegen schwerste Vorwürfe
freizukaufen?

Ja, der "Deal" gehört zum Strafprozess, auch wenn er - zu Recht -
ein umstrittenes Instrument im Alltag der vielfach überlasteten
Gerichte darstellt. Peter Hartz hat die Möglichkeiten dieser
juristischen Praxis für sich genutzt und ein umfassendes Geständnis
abgelegt. Im Gegenzug konnte er einen kurzen Prozess erwarten - ohne
peinliche Aussagen von Prostituierten oder zweifelhaften
Geschäftspartnern. Wohlgemerkt: Ein mildes Urteil nach einem
eindeutigen Schuldeingeständnis ist kein Promi-Privileg. Diese Regel
gilt nicht nur für Hartz, sondern auch für einen Hühnerdieb. Fatal
allerdings ist, dass die Verfahren um Hartz und Ackermann einige
Skepsis gegen den Rechtsstaat schüren. Hartz wollte (um seinen Ruf zu
retten) das Rotlichtmilieu vor Gericht heraushalten, Ackermann wollte
(um Bankchef zu bleiben) auf jeden Fall eine Verurteilung umgehen.
Jeweils mit Erfolg. Beide Manager mussten zahlen - und erhielten doch
ihr Urteil à la carte.

Dies erzeugt, nun ja, einen gewissen Erklärungsbedarf. Denn es
läuft etwas falsch, wenn im Hinterzimmer ausgehandelt wird, was bei
Lichte besehen auf Unverständnis stößt. Klar ist: Es darf auch nicht
der Hauch eines Verdachts entstehen, dass in Deutschland eine
Kungeljustiz entscheidet. Deshalb sind klarere Regeln für die
"verfahrensbeendenden Absprachen" ebenso zwingend erforderlich wie
größere Sensibilität der beteiligten Juristen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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