Kampeter: Möglicher Meilenstein für solide Haushalte
Geschrieben am 14-02-2007 |
Berlin (ots) - Anlässlich der mündlichen Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht zum Normenkontrollantrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen den Haushalt 2004 und den Nachtragshaushalt 2004, erklärt der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Kampeter MdB:
Die Unionsfraktion hält ihren Normenkontrollantrag gegen das Haushaltsgesetz 2004 und den Nachtragshaushalt 2004 weiter aufrecht, auch wenn sich die politischen Verhältnisse auf Bundesebene seither geändert haben. Es gibt gute Gründe an dieser Klage nach wie vor festzuhalten:
1. Die verfassungsrechtlich bestehenden Hürden gegen eine überbordende Verschuldung müssen wirksamer ausgestaltet werden.
- Die Staatsverschuldung in Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch angestiegen. Der Schuldenberg der öffentlichen Haushalte beläuft sich inzwischen auf rd. 1.500 Mrd. EUR. Dies bedeutet eine Verschiebung von Lasten in die Zukunft. Eine wirksame Begrenzung des Schuldenmachens ist deshalb aus unserer Sicht auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.
- Deutschland hat durch den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt eine Verpflichtung gegenüber den Partnerländern, nicht nur seine Verschuldung in engen Grenzen zu halten, sondern mittelfristig ausgeglichene Haushalte vorzuweisen.
- Durch die zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft geraten die öffentlichen Haushalte in absehbarer Zeit zunehmend unter Druck.
- Die Ausgaben im Haushalt sind in zunehmendem Maße rechtlich gebunden (ca. 90%), größtenteils durch gesetzliche und vertragliche Leistungen. Es fehlt damit die Flexibilität, auf etwaige Einnahmeausfälle kurzfristig mit einer entsprechenden Senkung der Ausgaben reagieren zu können.
Es ist offenkundig, dass der überbordenden Verschuldung möglichst schnell Einhalt geboten werden muss. Im Mittelpunkt steht dabei der Artikel 115 Grundgesetz. Die verfassungsrechtliche Kreditobergrenze hat sich in den vergangenen Jahren als nicht wirksam erwiesen. Mit dem Nachtragshaushalt 2004 ist sie zum vierten Mal in Folge überschritten worden. Dabei geht es nicht um einen Parteienstreit, sondern darum, wie die verfassungsmäßige Ordnung des Staatshaushalts und der Staatsfinanzen über Parteigrenzen hinweg gewährleistet werden kann.
2. Die Konjunkturklausel des Artikel 115 GG läuft angesichts der wachsenden strukturellen Probleme ins Leere.
Die Ausnahmeregel des Artikels 115 GG erlaubt eine erhöhte Kreditaufnahme zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Sie ist gedacht, um konjunkturell bedingte Abweichungen zu beheben. Die Wachstums- und Beschäftigungsprobleme der vergangenen Jahre und die daraus resultierende Krise der öffentlichen Haushalte sind jedoch weniger konjunkturell als vielmehr strukturell bedingt. Die Konjunkturklausel des Art.115 GG läuft damit ins Leere.
Darüber hinaus beruht die Vorstellung, ein gesamtwirtschaftliches Ungleichgewicht in Form einer Rezession könnte durch höhere Staatsausgaben behoben werden, die durch Schulden finanziert sind, auf dem Erkenntnisstand der Volkswirtschaftslehre der sechziger Jahre. Die neuere Theorieentwicklung bestreitet, dass das funktioniert. Die praktische Erfahrung mit Finanzpolitik in Krisenzeiten im In- und Ausland bestätigt diese Skepsis. Das ist durch empirische Untersuchungen unter anderem des Sachverständigenrates belegt.
3. Es geht um die Stärkung der Rechte des Parlaments. Zwar liegt das Initiativrecht für den Haushalt bei der Exekutive. Der Legislative kommt aber eine zentrale Planungs- und Kontrollfunktion zu. Diese kann nicht ausgeübt werden, wenn der Haushalt derart eklatante Fehlveranschlagungen beinhaltet, wie dies 2004 der Fall gewesen ist.
Die Unionsfraktion hält die Haushaltsgrundsätze der Vollständigkeit, Klarheit und Wahrheit für zentral. Denn die Parlamentarier können ihre politische Kontrollfunktion über den Haushalt nur ausüben, wenn dem Parlament ein vollständiger und wahrer Bundeshaushalt vorgelegt wird. Auch die Vorlage eines Nachtragshaushaltes erst gegen Ende des Jahres hat dazu geführt, dass das Parlament sein Budgetrecht nicht ordnungsgemäß wahrnehmen konnte. Bei einem Haushalt, der erst 4 Tage vor Ablauf desjenigen Jahres, für das er Geltung hat, in Kraft tritt, ist das Ausgabebewilligungsrecht des Parlamentes nicht mehr gewahrt.
4. Die Klärung des Verhältnisses zwischen der nationalen Verschuldungsgrenze nach Art. 115 GG und der Begrenzung des Defizits durch den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt ist erforderlich.
Nachdem Deutschland im vergangenen Jahr erstmals das Maastricht-Defizit wieder eingehalten hat, stellt sich das Problem, dass die Konsolidierungsanforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sich als wesentlich strenger erweisen als unsere nationalen Verfassungsnormen. Konzeptionell überzeugender sind die Maastrichter Fiskalkriterien. Sie beziehen sich auf das Haushalts-Ist, schließen Kontroll- und Sanktionsrechte mit ein und die Neuverschuldungsgrenze ist nicht an die Investitionshöhe, sondern an das Bruttoinlandsprodukt gebunden. Aktuell muss Deutschland sein strukturelles Defizit jährlich um 0,5 Prozentpunkte abbauen und nach derzeitigem Stand bereits im Jahr 2010 gesamtsstaatlich einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen.
Die Unionsfraktion erhofft sich ein Urteil, das für Klarheit darüber sorgt, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Haushalt und zur Verschuldung nicht etwa auch bei angespannter Finanzlage, sondern gerade bei ihr gelten. Die Klage unterstützt damit jeden Finanzminister in seinem Kampf für einen mittel- und langfristig tragfähigen Haushalt.
Originaltext: CDU/CSU - Bundestagsfraktion Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=7846 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_7846.rss2
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