Mitteldeutsche Zeitung: Blaubuch 2006 / Blaubuch-Autor Paul Raabe verteidigt scharfe Bauhaus-Kritik
Geschrieben am 25-02-2007 |
Halle (ots) - Der Bauhaus Stiftung Dessau gelinge es nicht, das Bauhaus als einen "Kulturellen Leuchtturm" im Bewusstsein des gesamten Deutschlands zu verankern, sagt der Kulturmanager und Bibliothekar Paul Raabe (80) im Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung (Montag-Ausgabe). Darin verteidigt der Autor des "Blaubuches 2006" seine scharfe Kritik an der 1994 gegründeten Stiftung, die in dem von der Bundesregierung herausgegebenen Leitfaden zu den "Kulturellen Leuchttürmen" im Osten veröffentlicht wurde. Darin wird die Arbeit der Kulturstätte als unzureichend und provinziell bezeichnet.
Dass bis heute nicht gelungen sei, eine Dauerausstellung zur Geschichte des Bauhauses in Dessau einzurichten, sei "schlicht unverständlich", sagt Raabe. "Das Bauhaus war Deutschlands berühmteste Schule der Moderne, es gibt keine vergleichbare deutsche Kulturstätte von so nachhaltiger und weltweiter Bedeutung. Davon ist vor Ort wenig zu bemerken: Man findet die großartigen Gebäude, mehr nicht." Über das langwierige Für und Wider um den Wiederaufbau des teilzerstörten Gropius-Wohnhauses in Dessau, sagt Raabe: "Wir haben nicht verstanden, wie man einen solchen Wirbel um die Rekonstruktion des Hauses veranstalten kann, dessen Fundament und Souterrain noch erhalten ist. Eine Rekonstruktion, wie sie in an anderen Orten gar kein Problem darstellen würde. Es geht um das Ensemble der Meisterhäuser, das wieder erlebbar gemacht werden muss. Das Gropius-Haus zu rekonstruieren, ist eine Selbstverständlichkeit. Für die Bauhaus Stiftung Dessau offenbar nicht." Das Gespräch mit Paul Raabe wurde in redaktioneller Fassung zur Verfügung gestellt.
Das Gespräch in redaktioneller Fassung:
Herr Raabe, was ist provinziell an der Stiftung Bauhaus Dessau? Paul Raabe: Das Provinzielle besteht darin, dass es der Stiftung nicht gelingt, das Bauhaus in Dessau als einen "Kulturellen Leuchtturm" im Bewusstsein des gesamten Deutschlands zu verankern. Das Bauhaus war Deutschlands berühmteste Schule der Moderne, es gibt keine vergleichbare deutsche Kulturstätte von so nachhaltiger und weltweiter Bedeutung. Davon ist vor Ort wenig zu bemerken: Man findet die großartigen Gebäude, mehr nicht.
Die lokale Wirklichkeit in Dessau, schreiben Sie, stehe der internationalen Erwartung entgegen. Worin besteht die Erwartung? Raabe: Wohl darin, dass man endlich eine große Dauerausstellung findet, die das Bauhaus in Dessau in seiner ganzen Vielfalt und Wirkung präsentiert. Dass es bis heute diese Ausstellung nicht gibt, ist schlicht unverständlich.
Es wird immer erklärt: Das historische Haus sei als Museum schwer bespielbar. Raabe: Ich bitte Sie, da gäbe es doch genug Möglichkeiten! Nein, das halte ich für vorgeschoben.
Es gibt ja bereits Bauhaus-Ausstellungen in Berlin und Weimar. Raabe: Das ist durchaus richtig. In Weimar soll sogar ein Bauhausmuseum gegründet werden. Aber das hat mit Dessau gar nichts zu tun, das ginge an dieser Stadt völlig vorbei. Dessau aber ist der entscheidende Ort, hier ist der zentrale Bauhausbau zu finden. Die "Ikone der Moderne" steht in Dessau, nicht in Weimar oder Berlin.
Nun entgegnet ja die Bauhaus Stiftung, es könne doch von Provinzialität gar keine Rede sein, wenn man als Bildungsstätte auf der Ebene der Stadtentwicklung so viele internationale Kontakte pflege. Raabe: Ich weiß, diese Kontakte führen nach Amerika, nach Asien und so fort, aber sie haben doch mit der Kulturstätte Bauhaus höchstens mittelbar zu tun. Wir reden hier von einem Kulturellen Leuchtturm. Das Kulturelle steht im Mittelpunkt des Interesses, da ist das Wissenschaftliche zweitrangig.
Sie schreiben, in Dessau werde die eigene Vergangenheit wohl als Belastung empfunden. Woraus schließen Sie das? Raabe: Nicht zuletzt aus der Diskussion um das Gropius-Wohnhaus.
Inwiefern? Raabe: Wir haben nicht verstanden, wie man einen solchen Wirbel um die Rekonstruktion des Hauses veranstalten kann, dessen Fundament und Souterrain noch erhalten ist. Eine Rekonstruktion, wie sie in an anderen Orten gar kein Problem darstellen würde. Es geht um das Ensemble der Meisterhäuser, das wieder erlebbar gemacht werden muss. Das Gropius-Haus zu rekonstruieren, ist eine Selbstverständlichkeit. Für die Bauhaus Stiftung Dessau offenbar nicht.
Nun hat inzwischen auch Sachsen-Anhalts Kultusminister eingeräumt, das Bauhaus sei nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Region zu wenig sichtbar.
Raabe: Es wird überhaupt von der Fachwelt zu wenig als ein Kultureller Leuchtturm wahrgenommen. Im Blaubuch steht dieses Haus doch in einem Kontext, den müssen Sie sich einmal anschauen. Jede Position in der Rangliste hat ihre Bedeutung. An dieser Position haben wir nichts geändert. Gut, wir haben das Bauhaus um einen Punkt nach hinten geschoben, weil die Lutherstätten dazugekommen sind. Da finden Sie neben dem Bauhaus das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund, in dem armen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, und das Deutsche Hygiene-Museum Dresden: Was hat man da Hervorragendes geleistet!
Sie plädieren dafür, dass der Mietvertrag mit der Fachhochschule Anhalt gekündigt wird, so dass die Schule aus dem Bauhaus verschwindet. Warum? Raabe: Das habe ich schon 2002 geschrieben. Dort wäre der Raum für die große Dauerausstellung zu finden, die dem Bauhaus als Kulturellem Leuchtturm ein ganz anderes Gesicht und Gewicht geben würde.
Für Erstaunen hat Ihre Formulierung gesorgt, dass der Zustand einiger Bauhausbauten vor Ort nicht der internationalen Erwartung entspräche. Aber die Bauten sind doch fast alle, teilweise mustergültig renoviert. Raabe: Ja, zum Glück, aber das ist nicht genug. Es geht darum, dass diese Bauten wieder als ein zusammenhängendes Ensemble erfahrbar werden müssen, und hier auch nicht nur das Bauhaus und die Meisterhäuser, sondern zum Beispiel auch das Gropius-Arbeitsamt in der Stadtmitte und die Bauhaus-Siedlung in Törten. Wer als Kulturtourist nach Dessau kommt, soll das erleben können.
Halten Sie eine "Rote Liste" für einen gefährdeten Leuchtturm-Status für sinnvoll? Raabe: Das weiß ich nicht, das steht jetzt auch gar nicht zur Debatte. Bei aller Kritik am Bauhaus, befinden sich doch sämtliche Leuchttürme zurzeit im Aufwind. In der Klassik Stiftung Weimar gab es große Probleme, da wird jetzt aufgeholt. Genauso bei den Museen im Grassi in Leipzig.
Hat Ihre scharfe Kritik Folgen für die Bundeszuwendung für das Bauhaus? Raabe: Nein, das wäre auch schlimm. Es geht darum, wie wir es im Buch formuliert haben: Der Stiftungsrat soll die heutige Mischung aus Historie, Weltgeltung und Provinzialität einmal selbstkritisch überdenken.
Wann erscheint das nächste Blaubuch? Raabe: Nicht vor einem Termin in fünf Jahren. Und dann auch nicht mehr mit mir. Wie es dann mit dem Blaubuch weitergeht? Das würde ich auch einmal gern wissen. Da wäre ein klares Wort vom Kulturstaatsminister Neumann fällig.
Originaltext: Mitteldeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=47409 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_47409.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Mitteldeutsche Zeitung Chefredakteur Jörg Biallas Telefon: 0345/565-4025
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