WAZ: Was das Cicero-Urteil bedeutet: Ein Spruch für die Aufklärung - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 27-02-2007 |
Essen (ots) - Gammelfleisch-Händler decken keine Gammelfleisch-Skandale auf. Weder Unternehmen noch Gewerkschaften decken, siehe VW, Korruptionsaffären auf. Parteien decken keine Parteispenden-Betrügereien auf. Behörden decken keine Behörden-Schlampereien auf. Und so weiter. Oft genug versagen staatliche oder wirtschaftliche oder gesellschaftliche Kontroll-Organe. Glaubt man etwa den Korruptions-Berichten von Anti-Korruptionsorganisationen, dann wird nicht zu viel aufgeklärt, sondern bei weitem zuwenig. Auch, ja selbst in Deutschland.
Journalisten, in diesem Sinn durchaus Vierte Gewalt, decken auf. Sie bewegen sich dabei ständig in einer Grauzone, mal moralisch, mal rechtlich, mal beides. Sie sind bisweilen in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich. Mal reicht es zu drohen, mal zu schmeicheln, um an Informationen zu kommen. Mal werden Informationen von Journalisten bezahlt. In jedem Fall wird bei Enthüllungen die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Vertraulichkeit gebrochen, und dann liegt es in der Verantwortung beider Seiten, abzuwägen zwischen dem Arbeitgeber-Interesse und dem einer möglicherweise geschädigten Öffentlichkeit. Das ist oft sehr schwierig, und Fehler passieren auch. Aber ohne diese Grenzüberschreitungen, die Informanten und Journalisten begehen, wäre wohl nicht eine einzige der großen Affären der vergangenen Jahre aufgedeckt worden.
Zuletzt, besonders nach dem 11. September 2001, hat sich auch in Deutschland die Balance verschoben zwischen Aufklärungsinteresse und dem Wunsch nach Sicherheit. Im Zweifel für die innere Sicherheit, gegen die Pressefreiheit. So urteilten oft genug Ermittlungsbehörden, wenn aus ihren Reihen vertrauliche Informationen nach draußen lanciert wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat das aus der Waage geratene Gleichgewicht nun wieder hergestellt. Wer auf der Suche nach Informanten Redaktionsräume durchsuchen lässt, verstößt gegen die Verfassung.
Das stärkt die Informanten, ohne die das Aufdecken von Missständen nicht möglich wäre. Es stärkt Journalisten den Rücken, die nun mit weniger Furcht vor behördlicher Schikane arbeiten können. Überhaupt ist es ein Richterspruch gegen die Einschüchterung durch Staatsbeamte, letztlich auch einer gegen eine durchaus obrigkeits-staatliche Mentalität, die im Namen des Staates informationsfreie Räume für sich in Anspruch nimmt. Die Freiheit für Journalisten nimmt zu, und mit ihr die Verpflichtung, damit sorgfältig umzugehen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Thomas Kloß Telefon: (0201) 804-8975 zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
56407
weitere Artikel:
- WAZ: Schulleiter dringend gesucht: Schleudersitz - Kommentar von Sigrid Krause Essen (ots) - Gute Idee, aber nicht geeignet für den Alltag: Den Eindruck haben viele vom neuen Recht auf freie Wahl des Schulleiters. Wer zehn Jahre lang weiß, dass er oder sie bei der Wiederwahl von den Untergebenen "abgeschossen" werden kann, wird sich nicht unbedingt mit ihnen anlegen. Für die Praxis kann das verheerende Folgen haben. Statt frischen Wind und Tatendrang in die Schulen zu bringen, droht stellenweise Stillstand - also Rückschritt. Und wer am falschen Ort Mut und Rückgrat beweist, Lehrer und Eltern auch mit unbequemen mehr...
- Lausitzer Rundschau: Wahl eines neuen BTU-Präsidenten in Cottbus Bestehen durch Wandel Cottbus (ots) - Die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus hat nach monatelangem Tauziehen zwischen Senat und Landeshochschulrat endlich wieder einen Präsidenten. Walter Christoph Zimmerli wird in den kommenden Jahren zeigen müssen, dass die Mehrheit des Uni-Senates sich nicht geirrt hat, als sie ihm den Vorzug gab vor seinem Gegenkandidaten Michael Daxner. Dass die Entscheidung für den gebürtigen Schweizer denkbar knapp ausfiel, ist kein Makel. Demokratie lebt auch an einer Universität vom Widerstreit unterschiedlicher mehr...
- Lausitzer Rundschau: Das Verfassungsgericht zum Fall "Cicero" Respektlos Cottbus (ots) - Dies war gestern wieder eine der klaren, unmissverständlichen Lektionen der Verfassungsrichter. Sie ging diesmal nicht an den Gesetzgeber, sondern an die Bundesregierung, die Strafverfolgungsbehörden und auch an Gerichte in Brandenburg. Deren Diensteifer bei der Ermittlung einer undichten Stelle im Behördenapparat war nicht nur unverhältnismäßig, sondern vor allem ein Angriff auf die Pressefreiheit. Zufrieden zurücklehnen kann sich angesichts der Wachsamkeit der obersten Richter dennoch keiner. Denn dieses Urteil ist ja mehr...
- Lausitzer Rundschau: Autofreier Tag für den Klimaschutz Warum eigentlich nicht? Cottbus (ots) - Klar doch, ein autofreier Sonntag oder gleich ein ganzes Wochenende wäre ein direkter Eingriff in die persönliche Freiheit. Und selbstverständlich gibt es genügend Menschen, die ihr Auto am Wochenende benötigen - viele Ausnahmeregelungen dürfte es an so einem Tag also geben. Trotzdem: Warum eigentlich nicht mal nur 24 Stunden auf die Karosse verzichten und die leidige Mobilitätshörigkeit an den Nagel hängen? Der Aufschrei gegen diese nicht neue Idee ist stets groß, denn das Auto ist in Deutschland das Tabuthema Nummer mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: Fall Mitja Sachsen-Anhalt unterstützt dauerhafte Aufsicht über Sexualstraftäter Halle (ots) - Vor dem Hintergrund des Sexualmordes an Mitja in Leipzig unterstützt Sachsens Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) Forderungen nach einer Ausdehnung der Führungsaufsicht für Sexualstraftäter über die bisher möglichen fünf Jahre hinaus. Das berichtet die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung (Mittwochausgabe). Laut Kolb habe das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht bereits den Bundesrat passiert. Unter anderem sei vorgesehen, bei schweren Sexualstraftaten künftig eine dauerhafte Aufsicht zu ermöglichen. "Wir mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|