WAZ: Viel Ärger in der Großen Koalition: Durchhalten bis 2009 - Leitartikel von Angela Gareis
Geschrieben am 20-03-2007 |
Essen (ots) - Union und SPD scheinen die größte staatspolitische Verantwortung aller Zeiten zu tragen. Wann immer die Sprache auf den desaströsen Zustand der Koalition gebracht wird, bemühen beide Seiten reflexartig die staatspolitische Verantwortung, um derentwillen man in jedem Fall bis 2009 weiterregieren werde. Sie ist momentan die beste Garantie für den Fortbestand der Koalition und zugleich die schlechteste Entschuldigung dafür.
Kaum jemand hätte ein Problem damit, wenn die Regierungsparteien um Wege zu Zielen konkurrierten. Das könnte sogar spannend sein und weniger geneigte Wähler für Politik interessieren. Allerdings erreicht man das Gegenteil, wenn Streit so ausgetragen wird, dass A die Idee schon vor B hatte, woraufhin dieser Tatbestand ideologisch analysiert werden muss, weshalb die Frage in Vergessenheit gerät, welches Ziel man gerade noch verfolgen wollte.
Der Krach um die Kinderbetreuung, mit der die SPD sich profilieren wollte, bevor CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen ihr das Thema wegschnappte, belegt es beispielhaft. Mit ihrer Kritik an fehlenden Finanzierungsplänen stärkten die Sozialdemokraten von der Leyens Gegner in der Union, was nun den Ausbau der Krippenplätze verzögern kann, den die SPD eigentlich will. Beim neuen Unterhaltsrecht bäumt sich die Union auf, obwohl längst einvernehmlich beschlossen war, die Kinder bei der Unterhaltsberechnung zu bevorzugen. Aus Sorge um ihr verstaubtes Familienbild werfen sich Konservative für geschiedene Frauen ins Feld, die weniger Geld bekommen sollen, wenn der frühere Ehemann ein Kind von einer anderen Frau hat. Frauen werden gegen Frauen aufgebracht, die Kinder aus dem Blickfeld gedrängt.
Während die Union die traditionelle Familie rettet, rettet die SPD den Weltfrieden, indem Kurt Beck der Bundesregierung vorgreift und die SPD gegen den US-Raketenschirm formiert, bevor im Kabinett überhaupt vernünftig diskutiert werden konnte. Und die Auseinandersetzung über die Frage, wem rein urheberrechtlich der wirtschaftliche Aufschwung zustehe, ist sicher auch noch nicht ausgestanden.
Weil das alles so ist, muss niemand mehr ernsthaft damit rechnen, dass die Pflegeversicherung in dieser Legislatur noch reformiert wird, denn da ist die Ausgangslage genauso unvereinbar wie bei der Gesundheitsreform, was für die Träger der staatspolitischen Verantwortung bedeutet: Wir machen besser nichts als etwas Miserables. (Aber wir halten in jedem Fall durch bis 2009.)
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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