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Lausitzer Rundschau: Die SPD und die ostdeutsche Massenarbeitslosigkeit Der schmerzliche Tabubruch

Geschrieben am 16-04-2007

Cottbus (ots) - Soll man die ostdeutschen Sozialdemokraten nun
dafür loben, dass sie sich immer klarer dazu durchringen, für den
Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern eine eigenständige Politik zu
fordern? Oder soll man mit ihnen hadern, weil aus dieser Erkenntnis
nur ganz allmählich politische Forderungen und irgendwann auch
handfeste Vorhaben werden?
Wer fair bleibt, muss anerkennen, dass es in der deutschen
Sozialdemokratie ein schweres Unterfangen ist, Abschied zu nehmen von
der Illusion einer Politik der Vollbeschäftigung. Die Partei versteht
sich schließlich aus ihrer Geschichte heraus als die
Interessensvertreterin der Arbeitnehmer. Und in den alten
Bundesländern wächst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung auch die
Hoffnung, dem größten Teil der Arbeitswilligen wieder einen Job
vermitteln zu können. Da stören die sowieso nicht all zu starken
ostdeutschen Landesverbände mit ihrer Feststellung, dass auch
gesteigertes Wachstum die hiesige Massenarbeitslosigkeit nicht
beseitigen wird.
Franz Müntefering, Bundesarbeitsminister und Sozialdemokrat der alten
Prägung, wehrt sich weiter gegen den Tabubruch, den diese Erkenntnis
nahelegt. Staatlich zumindest teilweise finanzierte
Beschäftigungsverhältnisse auf Dauer, den so genannten dritten
Arbeitsmarkt, sind für ihn auch das Eingeständnis des Scheiterns der
bisherigen, als Reform verkauften Politik. Einen Kurs, der den Mangel
eher verwaltet als ihn zu beheben, will er lieber den
Grundsicherungsaposteln wie dem CDU-Ministerpräsidenten Dieter
Althaus überlassen.
Tatsächlich aber wird sich die West-SPD auf Dauer nicht der Einsicht
verschließen können, dass es für viele Menschen in Ostdeutschland
auch in den nächsten Jahren so gut wie keine Chance gibt, einen
Arbeitsplatz in der Wirtschaft zu finden. Und die daraus
resultierende dauerhafte Verunsicherung und Orientierungslosigkeit
hat inzwischen einschneidende Auswirkung auf das gesellschaftliche
Bewusstsein. Sie kann, dies belegen die neuesten Studien, zu einer
Gefahr für das demokratische Gemeinwesen und insbesondere für den
Glauben an die Sozialbindung unseres Rechtsstaates werden.
Die Forderung nach eigenständigen Maßnahmen für den ostdeutschen
Arbeitsmarkt ist sinnvoll und politisch notwendig. Und die SPD sollte
nicht länger mit sich und ihrer Geschichte hadern, sondern handeln.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=47069
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