WAZ: Arbeiten im Aufschwung: Probleme mit der Zuversicht - Leitartikel von Ulrich Horn
Geschrieben am 18-04-2007 |
Essen (ots) - Deutschland ist Export-Weltmeister. Die Wirtschaft brummt. Ihre Zuwachsraten sind beträchtlich. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Zahl der Stellen nimmt zu. Das Land ist auf dem besten Weg, wieder zur Lokomotive der europäischen Wirtschaft zu werden.
Nach Jahren wirtschaftlicher Flaute, steigender Arbeitslosigkeit und schmerzhafter Reformen hätte das Land eigentlich allen Grund, erleichtert durchzuatmen. Dennoch hält sich die Freude über den lange ersehnten Aufschwung in Grenzen. Viele Menschen haben sogar den fatalen Eindruck, der Aufschwung gehe an ihnen vorbei.
Dass sie dem Braten nicht so recht trauen wollen, hat sicher mit den Erfahrungen der vergangenen Jahre zu tun. Zu viele wurden arbeitslos, zu viele mussten Einschnitte hinnehmen, um ihren Arbeitsplatz zu sichern. Zu viele hatten den Eindruck, finanziell auf der Stelle zu treten, obwohl sie sich doch mit aller Kraft anstrengten. Das schüttelt man nicht so leicht ab. Das wirkt nach.
Vielen fällt es auch deshalb schwer, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen, weil trotz des Aufschwungs die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft nicht abreißen wollen. Zwar ist der Opel-Standort Bochum vorerst gesichert, doch deutet sich weiterer Stellenabbau an. Bei der Telekom müssen viele Beschäftigte mit Einkommenseinbußen rechnen. In vielen Unternehmen wird unvermindert hart rationalisiert: um sich im weltweiten Konkurrenzkampf zu behaupten, um das Überleben der Betriebe zu sichern.
Den meisten Beschäftigten sind die Zwänge, unter denen ihre Unternehmen stehen, sehr bewusst. Wohl auch deshalb vollzog sich in vielen Betrieben die Anpassung an die Globalisierung erstaunlich ruhig. Die Beschäftigten wissen, dass die Unternehmen keine Wohlfahrtsein- richtungen sind, sondern Gewinne machen müssen. Die Zeiten, in denen sich Standorte als konkurrenzlos betrachten und Belegschaften Zumutungen des Managements ohne Weiteres zurückweisen konnten, sind vorbei. Das stellt auch an Betriebsräte und Gewerkschaften ganz neue Anforderungen.
Die Bereitschaft der Belegschaften, Veränderungen mitzutragen, ist groß, vor allem dort, wo sich zwischen ihnen und Unternehmensleitungen eine Kultur der Kooperation entwickeln konnte. Sie wird eher in mittelständischen Unternehmen als in Weltkonzernen vermutet. Ausnahmen von der Regel dürften vielen bekannt sein.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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