Westdeutsche Zeitung: Koalitionsklima = von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 25-04-2007 |
Düsseldorf (ots) - Ach, wäre das schön, wenn die Parteien zur Bereinigung interner Verstimmungen nicht mehr die Medien missbrauchen müssten, sondern geschlossene Kommunikationszirkel eröffnen könnten. Im Zeitalter des Web 2.0 müsste es doch möglich sein, etwa eine elektronische Gemeinschaft für alle Genossen zu eröffnen, die sich im aktuellen Stimmungstief ihre Wunden lecken können. Die breitere Öffentlichkeit bräuchte sich dann nicht mit dem kopflosen Vorstoß des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck herumzuschlagen, der die Große Koalition in einen Kriegszustand geredet hat. Unstreitig ist, dass die Attacken des Parteichefs und auch die des Fraktionsvorsitzenden Peter Struck gegen den Koalitionspartner vor allem die Befriedung der eigenen Anhängerschaft zum Ziel haben. Ein Entlastungsangriff, um vom Ärger der Parteifreunde über die eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken: Kurt Beck ist wegen anhaltend schlechter Umfragewerte unter Druck und verliert nach einigen missglückten außenpolitischen Profilierungsversuchen weiter an Ansehen. Und die SPD-Minister Franz Müntefering, Peer Steinbrück und Ulla Schmidt besetzen zwar die Schlüsselressorts der Koalition, verkörpern damit aber auch die unpopulären Regierungsentscheidungen zur Rente mit 67, und zu den Reformen der Unternehmenssteuer und des Gesundheitssystems. Die Masse der Wahlbürger aber können die Sozialdemokraten mit ihrer weinerlichen Kritik nicht beeindrucken. Die Kanzlerin befindet sich mit einer Zustimmung von 69 Prozent im Umfragehoch und koppelt sich damit gerade von ihrer Partei ab. Und Familienministerin Von der Leyen steht mit dem geplanten Ausbau der Kinderkrippen für das einzige gesellschaftspolitisch relevante Thema dieser Koalition. Diese Pluspunkte kann man nicht durch Neidkomplexe und Wutausbrüche ausgleichen. Im Gegenteil: Wenn die SPD durch eine nachhaltige Verschärfung des Klimas in der Koalition eine Art vorgezogenen Wahlkampf einläuten sollte, wird dies ihrem öffentlichen Ansehen noch mehr schaden. Die Parteiführung hat deshalb nur eine Wahl: Den Koalitionspartner mit klugen politischen Vorstößen unter Druck setzen. Wie man das anstellt, hat Ursula von der Leyen der SPD vorgemacht.
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