WAZ: Zur Debatte um Klars Freilassung Gnade für die Gnadenlosen? - Leitartikel von Christopher Onkelbach
Geschrieben am 26-04-2007 |
Essen (ots) - Bundespräsident Horst Köhler steht vor einer schweren Entscheidung. Soll er einen verurteilten Mörder und Terroristen begnadigen, oder soll Christian Klar seine Strafe bis zum Ende verbüßen? Klar verdiene keine Gnade, sagen nicht nur Angehörige der RAF-Opfer. Der Terrorist bekennt sich nicht zu dem Staate, von dem er Gnade erwartet. Er hilft den Ermittlern nicht bei der Aufklärung noch ungeklärter Morde, und er zeigt für seine Verbrechen keine Reue. So lauten die Argumente.
Muss er das? Ist Reue die Bedingung für Gnade? Muss ein Verbrecher erst um Vergebung bitten, damit ihm Gnade gewährt werden kann? In der theologischen Tradition ist es genau umgekehrt: Gnade ist immer unverdient. Sie kann nicht an Bedingungen geknüpft werden, denn dann wäre es kein Akt der Gnade mehr, sondern ein Geschäft: Ich bezahle mit Reue, du gibst mir dafür Gnade. Einsicht, Reue und Umkehr können demnach nicht die Voraussetzung für Vergebung sein, sondern sind ihre Folgen. Der unverdienten Gnade folgt die Einsicht. Damit setzt Gnade die Gnadenlosigkeit ins Unrecht. Und dies ist die hohe moralische Qualität der Vergebung.
Gnade ist ein Mittel der Friedens- und der Machtsicherung. Bei Hofe genossen die Untergebenen die Gnade des Herrschers oder fielen willkürlich in Ungnade. Gnade setzt also ein Machtgefälle voraus. Doch auch fast alle demokratischen Verfassungen kennen die Begnadigung, meist als Kompetenz des Staatsoberhauptes. Das Recht lässt sich im besten Sinne herab zu dem Ungerechten, reicht ihm die Hand, um den rechtmäßig Verurteilten wieder aufzunehmen in die Gemeinschaft. Gnade zielt also auch darauf ab, eine zerbrochene Gemeinschaft wieder zu heilen, womit sich diese auch selbst einen Dienst erweist. Der Unterschied zur göttlichen Gnade ist: Bundespräsident Köhler kann nach Aktenlage, Einsicht und Klugheit entscheiden.
Gnade ist also aus ethischer Perspektive voraussetzungslos, sie ist zuvorkommend, sie ermöglicht Reue und somit Versöhnung. Auch Köhler ist nicht verpflichtet, auf ein Reuezeichen Klars zu warten. Denn Gnade ist kein Geschäft von Geben und Nehmen. Dies aber sind alles keine Gründe für eine konkrete Begnadigung des Ex-Terroristen Klar. Die Debatte aber gibt Anlass daran zu erinnern, dass Gnade ein hohes und schützenswertes Gut unserer Demokratie ist und ein besonderes Zeichen ihrer Stärke.
Gnade für die Gnadenlosen? Der Bundespräsident kann, er muss sie nicht gewähren. Für beides gibt es gute Gründe.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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