Westdeutsche Zeitung: Türkei = von Alexander Marinos
Geschrieben am 30-04-2007 |
Düsseldorf (ots) - Ankara kann seinen Traum, Mitglied der EU zu werden, endgültig zu den Akten legen. Eine Türkei, die Probleme mit der Religions- und Meinungsfreiheit hat, wäre zwar noch nicht europatauglich, aber immerhin auf einem guten Weg. Eine Türkei allerdings, in der im Zweifel das Militär das Sagen hat, ist Lichtjahre von einem möglichen Beitritt entfernt. Wenn die deutsche EU-Ratspräsidentschaft die Generäle nun auffordert, keinen unzulässigen Druck auszuüben, und wenn der EU-Erweiterungskommissar von einem Testfall für die Beitrittsreife spricht, dann ist das nur noch diplomatische Kosmetik: Der unzulässige Druck wurde bereits ausgeübt; der Test darf als "nicht bestanden" gelten. Man muss dem in Berlin und Brüssel nur noch klar ins Auge sehen. Nun könnte man ja sagen, der gute Zweck heiligt die Mittel. Das Militär versteht sich als Hüterin der laizistischen Verfassung und will die Trennung von Staat und Religion unbedingt sichern. Wenn dabei aber ein ebenso wichtiges Wesensmerkmal einer Demokratie, dass nämlich die militärische Gewalt unter der Autorität einer gewählten Regierung stehen muss, mit Füßen getreten wird, dann ist gar nichts gewonnen. Unter der Voraussetzung wäre ein Staatspräsident, dessen Frau Kopftuch trägt, das deutlich kleinere Übel. Der Putsch als fast schon traditioneller Teil der politischen Kultur in der Türkei lässt sich mit europäischen Grundüberzeugungen nicht vereinbaren. Das gilt natürlich auch für die Putsch-Androhung, bei der die Chance, dass kein Blut vergossen wird, etwas größer ist. Die Wirkung indes ist die gleiche: Die Generäle bestimmen, wer Staatspräsident wird, nicht die Volksvertretung. Vermutlich wird das Verfassungsgericht heute oder morgen die Präsidentenwahl wegen eines Formfehlers aussetzen. Das böte der regierenden moderat-islamischen AKP die Möglichkeit, ohne allzu großen Gesichtsverlust das Parlament aufzulösen. Die Folge wären Neuwahlen, die dann alles noch verschlimmern könnten: Als Reaktion auf den Handstreich der Armee dürfte die AKP noch mehr Zustimmung bekommen. Das würde die Generäle zusätzlich ermuntern, für ihren Machterhalt demokratische Verfahren zu torpedieren und vielleicht die Panzer rollen zu lassen. Der Alptraum ist noch nicht zu Ende.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Westdeutsche Zeitung Nachrichtenredaktion Telefon: 0211/ 8382-2358 redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
67868
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zum Tag der Arbeit Halle (ots) - Die Arbeitswelt zerbricht in viele kleine Stücke. Was einst die Regel war - das langfristige Angestelltenverhältnis -, ist im Osten mit der Wende schon rar geworden und nun generell auf dem besten Weg zur Ausnahme. Unstete Lebensläufe und wechselnde Einkommensverhältnisse sind die Folge. Die gut Verdienenden werden in den kommenden Jahren noch mehr im Portemonnaie haben, die schlecht Verdienenden nicht viel dazubekommen. Schon heute können bis zu einer Million Menschen nicht mehr von ihrem Arbeitslohn allein leben. Die Schere mehr...
- Westfalen-Blatt: (Bielefeld) zum Thema Israel vom 01.05.2007 Bielefeld (ots) - Vorweg: Bei nicht einem der hasserfüllten Gegner Israels wäre eine solche Untersuchung vorstellbar. Eine Jury, die Regierungshandeln, gar den Beschluss zu einem Feldzug unabhängig prüft, ist im arabischen Raum undenkbar. Israel hält sich für moralisch höher stehend. Deshalb muss sich dessen Regierung auch dem vernichtenden Urteil über den Libanon-Krieg stellen. Die Soldaten seien überstürzt, schlecht organisiert, mit unklaren Zielen und von »Schwächen im strategischen Denken« begleitet in den Kampf geworfen worden, heißt mehr...
- Westfalen-Blatt: Zum Thema Türkei kommentiert das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) am 01.05.2007 Bielefeld (ots) - Die Türkei steht vor schicksalhaften Wochen. Die beiden politischen Züge des Landes, Säkularisten und Islamisten, haben Fahrt aufgenommen und rasen nun aufeinander los. Im einen sitzen die Generäle als Statthalter des Kemalismus, der die Trennung von Staat und Religion verteidigt, im anderen die Regierung Erdogan, offiziell als Verfechter der Demokratie, insgeheim jedoch als Vertreter eines Islam, der die Türkei in die Zeit vor Kemal Atatürk zurückführen und damit die Trennung zwischen Staat und Religion aufheben will. mehr...
- Rheinische Post: Die Macht der Arbeiterklasse Düsseldorf (ots) - Von Martin Kessler Die Gewerkschaftsbewegung war neben den Kirchen und dem organisierten Liberalismus einer der Grundpfeiler der westdeutschen Demokratie. Ihre meist besonnene Lohnpolitik hat den Weg zum Wirtschaftswunder der Bundesrepublik bereitet. Gleichzeitig hat sie die Arbeiterschaft mit der sozialen Marktwirtschaft versöhnt. Die Abkehr von revolutionären Trugbildern brachte den Werktätigen einen zuvor nie gekannten Wohlstand. Das ist das historische Verdienst der Gewerkschaftsbewegung. In Zeiten des schier mehr...
- Rheinische Post: Türkei-Krise Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat sich gestern an seine Landsleute gewandt und in einer vor Tagen aufgezeichneten Rede Einheit und Ruhe gefordert. Die Ansprache ändert nichts an der schweren innenpolitischen Krise. Schon früher hatte der Islamist betont, er bekenne sich zu der von Republikgründer Atatürk verordneten Trennung von Religion und Staat. Schöne Worte, doch sie halten der Wirklichkeit nicht stand. Erdogan betrieb die Annäherung an die EU, er leitete Reformen ein und betrieb mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|