WAZ: Die Gaststättentarife in NRW: Wenn Arbeitgeber Mindestlöhne wollen - Leitartikel von Stefan Schulte
Geschrieben am 03-05-2007 |
Essen (ots) - Nicht wenige dürften sich gestern gewundert haben. Da reden wir monatelang in scharfen Schwarz-Weiß-Kontrasten über Mindestlöhne, und dann führt ein CDU-Landesminister einfach einen ein. Eine Fehlinterpretation, die einiger Erläuterungen bedarf. Die nebenbei aber wunderschön aufzeigt, dass die ideologiegeschwängerten Politiker und Funktionäre beim Thema Mindestlohn an der echten Arbeitswelt trefflich vorbeidiskutieren.
Vorweg: Was Karl-Josef Laumann für die 180 000 Beschäftigten in den Hotels und Gaststätten des Landes verkündet hat, ist kein gesetzlicher Mindestlohn, wie es ihn etwa auf dem Bau gibt. In jedem Tarifbezirk können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre ausgehandelten Löhne für allgemeingültig erklären, wenn die Landesregierung zustimmt. Das ist gestern geschehen. Faktisch wirkt der Tarif dann wie ein Mindestlohn, doch der Staat hat ihn nicht festgelegt, sondern billigt nur den Wunsch der Sozialpartner. Arbeitgeber, die weniger bezahlen, riskieren künftig Bußgelder.
Seit Jahrzehnten gibt es solche "allgemeinverbindlichen Tarifverträge", etwa für Wachleute in NRW oder Friseure in Sachsen. Wohlgemerkt: Sie regeln nur, dass die niedrigsten Tarife nicht noch weiter unterschritten werden dürfen. Den Friseuren in Sachsen etwa sichert der Tarif gerade mal einen Stundenlohn von 3,06 Euro. Und doch widerlegen diese Beispiele den Allgemeinplatz, Arbeitgeber seien die natürlichen Feinde von Mindestlöhnen. Viele haben den mit Dumpinglöhnen ausgefochtenen Preiswettbewerb sogar ziemlich satt. Deshalb wollte der Bau Mindestlöhne, deshalb will sie nun die Zeitarbeitsbranche.
Für die Gewerkschaften manifestiert sich in diesen regionalen Mindestlöhnen ihre ganze Zerrissenheit. Da ist der DGB, der 7,50 Euro für alle fordert. Demgegenüber stehen die Einzelgewerkschaften, die in manchen Branchen und einzelnen Regionen Löhne ausgehandelt und vertreten haben, die der DGB-Boss nun sittenwidrig nennt. Dazu gehören auch die 5,32 Euro, die auf Wunsch der Gewerkschaft NGG und Arbeitgebern nun in allen NRW-Gaststätten und Hotels gezahlt werden müssen.
Nicht wenige Gewerkschafter teilen deshalb das stärkste Argument gegen einen flächendeckenden Mindestlohn: Sie würden als Tarifpartner zum Teil überflüssig. Doch auch umgekehrt gilt: Wer sagt, Löhne zu bestimmen sei Sache der Tarifpartner und nicht des Staates, liefert das beste Argument dafür, die Abschlüsse in den Branchen dann auch für allgemeingültig zu erklären.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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