WAZ: Der Zaun als Politik: Die Dornenkrone von Heiligendamm - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 30-05-2007 |
Essen (ots) - Jeder Zaun ist eine Niederlage.
Mancher, wie der an der DDR-Grenze, aus echter Not geboren: zur Existenzsicherung einer einzigen, fundamentalen Menschenrechtsverletzung. Andere, wie der an der US-Grenze zu Mexiko, befestigen eine Illusion: vor unerwünschter Einwanderung gefeit zu sein. Wobei wohl viele derselben Konservativen in den USA, die diesen Zaun befürworten, gerne ihren Garten oder den Abwasch von mexikanischem Personal machen lassen, das doch irgendwie durchkam.
Kein Zaun ist eindeutig. Zäune definieren nicht nur Drinnen und Draußen, sondern mehr als das: Gewinner und Verlierer. Wobei nicht eindeutig ist, ob etwa der Zaun in Israel die Israelis zu Gewinnern macht. Ein Zaun sagt: Hier endet Kommunikation. Jedenfalls die der offenen Art. Wer einen Zaun baut, der sagt: Ich rede nur noch mit wem ich will. Und der Rest?
Ein Zaun ist nicht liberal. Schon gar nicht marktwirtschaftlich. Ein Zaun ist, ökonomisch betrachtet, Protektionismus. Ergo ist ein Zaun so etwas wie ein metal-lener Globalisierungskritiker. Würde die offene Gesellschaft ihre Feinde aufzählen müssen, die Zäune zählten dazu.
Der Zaun von Heiligendamm ist nicht einfach ein Zaun. Sondern einer mit einer Dornenkrone aus Stacheldraht. Genau dies, der zerstörerische, schneidende Draht, nimmt diesem Zaun auch noch den letzten Anschein von Unschuld. Der Stacheldraht wirkt, auf empfindliche Menschen mindestens, wie ein historisches Zitat: DDR, KZ. Gerade deshalb muss man sich wundern: Wieso lassen Menschen, die wissen um die ungeheure Macht der Bilder, Spitzenpolitiker nämlich, es zu, dass von Deutschland aus derartig missverständliche Bilder um die Welt gehen? Wie groß wird der Schaden sein, den dieser spezielle Zaun stiftet an dem herzerfrischend anderen, durch Bilder gestifteten Deutschland aus fußballseligen, feiernden, völlig entspannten, unverkrampften Patrioten? Man stelle sich vor, eine junge Frau oder ein junger Mann verfängt sich im messerscharfen Gestrüpp.
Aber was soll man machen, angesichts von Chaoten? Einfach: sich sehr kurzfristig treffen im Hinterzimmer einer x-beliebigen Pils-Kneipe irgendwo in Deutschland. Oder eine Videokonferenz abhalten. Hauptsache, Klartext reden über Sachen, die nicht passen in ein kieselglattes Kommunique. Ironischerweise geben die sog. Globalisierungsgegner der Heiligendammer Veranstaltung eine Bedeutung, die ihr nicht zukommt. Der Gipfel hat nicht mal einen Zaun verdient.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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