LVZ: Leipziger Volkszeitung zu G8-Gipfel/Heiligendamm
Geschrieben am 30-05-2007 |
Leipzig (ots) - Es ginge alles auch viel leichter. Theoretisch. Ohne martialischen Zaun mit Nato-Draht rund um Heiligendamm. Ohne reflexhafte Proteste mit offensichtlich unvermeidbaren Gewaltexzessen. Sollen sie sich doch auf einer Insel treffen, die Lenker der angeblich acht wichtigsten Industrienationen dieser Welt. Auf Helgoland, Hiddensee oder Poel. Oder gleich auf Ausflugsdampfern auf dem Rhein vor der Lorelei oder den Dresdner Elbterrassen. Auch Telefon- oder Videokonferenzen werden empfohlen, weil der G8-Gipfel ja sowieso nichts bringe. Keine Ergebnisse, die die schlechte Welt verbessern. Nicht das Klima, nicht die Globalisierung. Und Afrika sowieso nicht. 100 Millionen Euro für die Sicherheit von sieben Männern und einer Frau wären gespart. Mancher Reise- und Dauerdemonstrant müsste sich an anderen Hassobjekten und Vorurteilen abarbeiten. Organisierte Nutzlosigkeit auf beiden Seiten eines schlichten Zauns. So erscheint vielen Bürgern, was sich derzeit an der Ostseeküste abspielt. So kann man denken, aber so einfach sollte man es sich nicht machen. Natürlich: Was nicht vorher von den Sherpas, den Zuträgern und Vorbereitern der Mächtigen eingetütet wurde, wird in der Regel auch während des Gipfeltreffens nicht mehr durchgesetzt. Freies Diskutieren am Kamin mit anschließenden spontanen und weisen Beschlüssen, das gibt es nicht mehr im vielschichtigen Konzert weltumspannender Politik. Aber Gipfeltreffen sind auch symbolische Akte, deren konkrete Auswirkungen auf die Welt erst Jahre später spürbar werden. Weltpolitik schreitet in Friedenszeiten in Trippelschritten voran. Das ist manchmal demokratisch mühsam, aber besser als die denkbare Alternative. Demokratisch gewählte Regierungs- und Staatschefs müssen das Recht haben, sich zu treffen, wo sie wollen, ohne von gewaltbereiten Protestierern bedroht zu werden. Wären Demonstranten garantiert friedlich, hätte auch der Zaun von Heiligendamm nicht errichtet werden müssen. Diese einfache Kausalität sollte immer mal wieder in Erinnerung gerufen werden, bevor die Wahrnehmungsgewichtung verrutscht. Wer jetzt den Kampf um den Zaun zum eigentlichen Ereignis moralischer Minderwertigkeit kürt, fällt auf ein einfaches propagandistisches Ablenkungsmanöver herein. Um Inhalte jedenfalls geht es in der Öffentlichkeit kaum noch. Ein einfacher Zaun wird zum Fokus dieser Welt. Die Protestler haben die Regierenden auf der Medienbühne längst an die Wand gespielt - im Gastgeberland Deutschland jedenfalls. Aber auch wer vor dem Zaun steht, hat die Moral dieser Welt nicht gepachtet und kann fundamentalen Irrtümern unterliegen. Wer den Zaun von Heiligendamm mit der Mauer vergleicht, ist zynisch oder hat gar nichts verstanden. Geruchsproben von gewaltverdächtigen Demonstranten für Spürhunde zu nehmen, kann man in einem Rechtsstaat verurteilen, aber mit Stasi-Methoden haben diese Hunde nichts zu tun. Und die Globalisierung hat in Deutschland Arbeitsplätze gekostet, sie hat aber auch viele billige Waren gerade für untere Einkommensschichten ins Land gebracht und Entwicklungsländern geholfen. Am besten wäre es, man würde in Deutschland weniger über einen unvermeidlichen Zaun debattieren - und mehr über wichtige Themen.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Leipziger Volkszeitung Redaktion Telefon: 0341/218 11558
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
73465
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Weltbank-Wechsel Düsseldorf (ots) - Von Frank Herrmann Amerika ist zufrieden, Europa erleichtert. Brasilianern, Südafrikanern und ein paar anderen Schwergewichten der Dritten Welt wäre eine grundsätzliche Reform lieber gewesen. Aber was soll's, mit Robert Zoellick als wohl nächstem Weltbankpräsidenten können auch sie halbwegs leben. Endlich einmal hat George W. Bush der Welt einen Kandidaten vor die Nase gesetzt, der andere respektiert, statt ihre Wünsche arrogant zu ignorieren. Personalentscheidungen sagen viel darüber aus, wie die USA mit dem Rest mehr...
- Rheinische Post: Blanke Armut im reichen NRW Düsseldorf (ots) - Von Detlev Hüwel Jürgen Rüttgers wird vorgehalten, in Sachen Sozialpolitik links zu blinken, aber rechts abzubiegen. Soll heißen: Er redet anders, als er handelt. Beim "Jahr des Kindes" 2006 war das wohl ein berechtigter Vorwurf. Doch Rüttgers lernt dazu. Er hat jetzt ein Problem aufgegriffen, das seit langem diskutiert wird, bislang aber ohne erkennbare Reaktion "von oben": Viele Kinder und Jugendliche kommen in die Schule, ohne gefrühstückt zu haben. Andere müssen sich das Pausenbrot verkneifen. Das kann doch wohl mehr...
- Lausitzer Rundschau: G8-Gipfel in Heiligendamm Der Bürger als Zaungast Cottbus (ots) - Jetzt ist das Ding also zu und wir alle werden Zaungäste. Das ist der Gipfel - nicht nur an dem abgeriegelten Ostseestrand. In Potsdam werden Schulkinder nach Hause geschickt und Badeanstalten geschlossen. Berlin wird seit Tagen abschnittsweise zwangsweise und zumeist unvorhergesehen verkehrsberuhigt. Da wird der Bürger zum Stau-, zum Staun-Gast. Begonnen hatten diese Treffen mal als lockerer Gedankenaustausch zwischen den Führern marktwirtschaftlich orientierter, einer freien Gesellschaftsordnung verpflichteten Länder. mehr...
- Lausitzer Rundschau: Die Politik und der Kampf gegen Doping Sentimentaler Glaube Cottbus (ots) - Typisch. Die politischen Dampfplauderer waren in den letzten Tagen schnell zur Stelle, nachdem die Dopingsünder im Radsport der Reihe nach ihre Radlerhosen heruntergelassen haben. Doch wenn es Merkel und Schäuble und all die anderen mit ihrem Entsetzen wirklich ernst meinen würden, dann hätte das Bundeskabinett gestern ganz anders an die Sache herangehen müssen. Wir legen unsere wachsweiche Novelle des Arzneimittelgesetzes wegen Wirkungslosigkeit im Kampf gegen Doping beiseite. Wir fangen angesichts der dramatischen Ereignisse mehr...
- Lausitzer Rundschau: Energie Cottbus und Lausitzer Füchse ohne Finanzprobleme Lehren gezogen Cottbus (ots) - Energie Cottbus ist seit Dienstag schuldenfrei. Vor allem dank der üppigen Fernsehgelder in der 1. Fußball-Bundesliga konnte der Verein den 2005 noch bestehenden Schuldenberg von 4,5 Millionen Euro abtragen. Auch die Lausitzer Füchse aus Weißwasser sehen der neuen Saison in der 2. Eishockey-Bundesliga ohne finanzielle Sorgen entgegen. Schwimmen beide Vereine im Geld? Natürlich nicht! Aber sie wirtschaften inzwischen mit Augenmaß und haben die Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Zur Erinnerung: Energie stand in der Saison mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|